30 Jahre Ökostrom-Gruppe: Fledermaus im Grundbuch STADTGEPLAUDER | 06.08.2016

Es war das Jahr der ersten großen Kernkraft-Katastrophe, 1986, der GAU von Tschernobyl, als Andreas Markowsky und Heiner Schlipf in Freiburg eine Ökostrom-Firma gründeten. Anfangs war es nur ein Hobby. Heute, 30 Jahre später, hat der Ex-Banker Markowsky rund 250 Millionen Euro an Investitionen in Erneuerbare Energien initiiert – oder selbst finanziert. 2500 Kommanditisten sind mit der heute zehnköpfigen Ökostromgruppe auf dem Weg zur Energiewende. „Südbaden hatte bei dem Thema schon immer ein ausgeprägteres Bewusstsein als der Rest der Republik“, sagte Freiburgs Oberbürgermeister Dieter Salomon beim Festakt. Und viele nickten.

Wasserkraftwerk

Die älteste Anlage: Mit dem Wasserkraftwerk im St. Wilhelmer Tal fing alles an.

1986 kauften sich die Firmengründer ein erstes kleines Wasserkraftwerk im St. Wilhelmer Tal. Oberflächlich unscheinbar. Aber es hat stolze 146 Meter Gefälle und die Turbine dreht sich kräftig. Als Kind war Markowsky häufig an der Schwarzenbachtalsperre. Energie aus Wasser. Die mächtige Staumauer erweckte die Faszination im schmächtigen Andreas. Heute speisen die Anlagen der Ökostrom Erzeugung Freiburg GmbH (siehe Infobox) jährlich 90 Millionen Kilowattstunden (kWh) in die Stromnetze ein.

Von Baden-Baden bis an die Schweizer Grenze, vom Kaiserstuhl bis nach Tuttlingen. 26.000 Haushalte könnten damit von Neujahr bis Silvester umweltfreundlicher versorgt werden. „Bei den Erneuerbaren gibt es riesige Potenziale und enorme Widerstände, genau dafür habe ich einen nicht schlecht bezahlten Job aufgegeben“, sagt Markowsky. Es geht ihm heute auch nicht schlechter. Und er hat durchaus sinnvollere Dinge gemacht, als Bausparverträge zu verkaufen.

16 neue Projekte stecken aktuell in der Pipeline im Büro an der Goethestraße. Viele bleiben da stecken. Schon seit 16 Jahren gibt es einen Plan für ein Windrad auf dem Schönberg. Der ehemalige Landrat Jochen Glaeser, kein heißer Verfechter von Windmühlen, hatte den beteiligten Gemeinden schlicht das Planungsrecht versagt. Jahrelang geht es nun schon auch auf dem Ochsenberg nicht voran. Ein Wanderfalkenpaar verhindert den Bau eines Windrads. Naturschutz und Klimaschutz – das sind nur auf den ersten Blick Artverwandte. Der Naturschutz ist immer strenger geworden, und der Artenschutz kein Freund von Kompromissen. Auch wenn es um ein besseres Klima geht.

Solarzellen auf Justizvollzugsanstalt

Die kurioseste: Die Solaranlage auf den Dächern der Freiburger Justizvollzugsanstalt musste ausnahmsweise mal nicht gegen Diebstahl versichert werden.

Der politische Wind aber hat sich mit der Machtübernahme durch die Grünen vor fünf Jahren gedreht. 1000 neue Windräder hatte Umweltminister Franz Untersteller schnell mal als Ziel ausgegeben. Auch er wusste offenbar nicht, wie schwierig und langwierig es ist, die nötigen Baurechte zu bekommen. Da werden durchaus mal Fledermauskästen in Grundbücher eingetragen oder es gibt an einem geeigneten Standort ein paar Haselmäuse. Und dann gibt es kein Pardon.

Oder es gibt Sigmar Gabriel. Der Wirtschaftsminister will nicht von der Kohle lassen, 10.000 Arbeitsplätze hängen dran. 40.000 allein von der Solarenergie, kontert Markowsky und schüttelt den Kopf. So bremst die geplante EEG-Novelle (Erneuerbare Energien Gesetz) die dezentralen Erneuerbaren stark aus, setzt auf Zentralismus und Off-Shore und ist daher „ein Gesetz für Großkonzerne“, so Salomon. „In Paris geben sich die Deutschen als Klimaschützer, zu Hause in Berlin als Klimaschänder“, sagt Markowsky. Es gibt massiven Protest von vielen Seiten. Ein bisschen Ohnmacht ist auch dabei. Die big four der Energiekonzerne haben bei der Kohle einen Anteil von mehr als 80 Prozent, bei den Erneuerbaren von weniger als 10.

Die Politik und der Artenschutz sind die großen Probleme, aufmüpfige Kommanditisten die kleinen. Die machen zwar Ärger, ziehen Markowsky auch mal vor Gericht, weil windschwache Jahre auch renditeschwache Jahre sind. „Von 2500 Kommanditisten gibt es aber nur eine Handvoll, die unzufrieden sind. Wir werden auch weiter Publikumsgesellschaften gründen, weil diese Menschen alle Energiewendebefürworter sind“, gibt sich der Ex-Banker kämpferisch. Die „sehr lange“ Liste mit Menschen, die sich beteiligen wollen, ist viel länger als es neue Projekte gibt, die sich umsetzen ließen.

Windrad

Die jüngste: Die Anlage auf dem Langenhard bei Lahr geht in diesen Tagen in den Betrieb und soll allein fast sechs Millionen Kilowattstunden liefern.

Reichlich umgesetzt haben die Wasserkrafträder, die schon Mitte Juni mehr Strom als im kompletten Vorjahr gemacht haben, so viel wie in den vergangenen 30 Jahren nicht. Dafür halten sich die Erträge aus der Solarenergie bedeckt, die Windkraft liegt aktuell leicht über Plan. Rund drei Millionen Euro wird die Ökostrom-Gruppe am Ende des Jahres ausschütten. Tendenz steigend. Bei vielen Anlagen drehen die Finanzierungen auf ihr Ende zu. Das jüngste Projekt ist das Windrad auf dem Langenhard bei Lahr, wo der Vorgänger angebrannt war und seit Ende Juni nun jährlich 5,8 Millionen kWh produziert werden sollen.

Eine größere Anlage im Offenburger Raum steht in den Startlöchern. Wo, will Markowsky noch nicht verraten. Das speziellste Kraftwerk aber war die Solaranlage auf den Dächern des Freiburger Gefängnisses. „Da“, sagt er, „brauchten wir auch keine Versicherung gegen Diebstahl.“

Ökostrom-Anlagen 

Infobox


Solaranlagen: 143
mit einem Jahresertrag von im Schnitt 9 Mio. kWh 

Wasserkraftanlagen: 7

mit einem Jahresertrag von im Schnitt 7 Mio. kWh

Windräder: 28

mit einem Jahresertrag von im Schnitt 74 Mio. kWh 

Text: Lars Bargmann  / Fotos: © Ökostrom-Gruppe, Badenova, Georg Hille