Abgekocht: In der Mensa Rempartstraße dampfen nicht nur die Töpfe STADTGEPLAUDER | 07.02.2017

Drei Sterne hat die Mensa Rempartstraße gerade von PETA bekommen. Als „ungenießbar“ beschimpft Gourmetkritiker Jürgen Dollase das Essen in der FAZ. Fein oder Schein? Das chilli will’s genauer wissen. Einen Tag lang hat Redakteur Till Neumann das 30-köpfige Team begleitet. Und dabei Nudelzauberer, Formel-1-Messer und „geilen Scheiß“ gesehen. Eine Bildergalerie gibt’s am Ende des Artikels.

Koch Nico Streit macht Pesto

Formel-1-Küche: Koch Nico Streit macht Pesto für die Cannelloni.

Donnerstag, 6.30 Uhr. Die meisten Studenten pennen noch. Jörg Meyer ist hellwach. Der Lagerist steht an der Mensarampe und hält ein Thermometer ans Geschnetzelte. „Wir kontrollieren Menge, Gewicht und Temperatur der gelieferten Ware“, erklärt Meyer. 10 bis 15 Lieferungen kommen pro Tag. Heute sei’s eher ruhig. „Bamm“, Meyer haut einen Stempel auf ein Formular.

Es muss zackig gehen. Denn 4000 hungrige Studenten wollen täglich in der Mensa Rempartstraße satt werden: „Wir haben ein kritisches Publikum“, betont Ulrich Stelter, Gastrochef des Studierendenwerks. Vor 15 Jahren sei die Auswahl klein und fleischlastig gewesen. Heute seien Vielfalt und Präsentation gefragt. „Ziel ist, dass es für alle passt“, sagt Stelter. „Mainstreamgerichte“, nennt er das. Die Auswahl ändere sich ständig.

In der Küche ist Carsten Höting die Nummer eins. Weiße Weste, rote Schürze, brauner Bart. Der Mensachef strahlt Ruhe aus, wenn er Kollegen über die Schulter schaut. „Ich will ehrliches Essen machen“, sagt der 48-Jährige. So dass er seinen Kunden an der Ausgabe in die Augen schauen könne. „Vor anderen Großküchen müssen wir uns nicht verstecken“, sagt Höting. Der FAZ-Kritiker lässt ihn kalt: „Der war einmal da, das können wir aushalten.“ Die Auszeichnung von der Tierrechtsorganisation Peta freut ihn dafür – auch wenn er eigentlich für sich selbst und die Studenten koche, nicht für Sterne.

Ums gute Essen kümmert sich auch Antonio Cicconetti. Der Koch leitet in dieser Woche das Bistro, den exquisiten Teil der Mensa. „Hier habe ich mehr Freiheiten, kann mich austoben“, sagt der Italiener während er kiloweise Karotten glaciert. Die Qualität der Mensa ist für ihn erstaunlich: „Im Restaurant kocht man für 70, 80 Leute, hier für 4000. Wir machen aber weniger Abstriche als gedacht.“

Volldampf: In der Küche wird Hand in Hand gearbeitet.

Volldampf: In der Küche wird Hand in Hand gearbeitet.

Eine Etage tiefer muss Meyer „dem Fisch hinterhertelefonieren“. Nebenan schneiden Frauen Radieschen. Und eine Maschine hackt in Windeseile Gurken in Scheiben. Auf engem Raum ist die Logistik entscheidend, erklärt Stelter. Andere hätten deutlich mehr Platz, durch die neue UB sei man von hungrigen Studenten „überrollt worden“. Mehr gehe nicht. Allerhöchstens beim Abendessen gebe es noch Kapazitäten.

Frisch soll’s sein – trotz der Menge. Wie das geht, zeigt Nico Streit. Der Koch macht Pesto, das später zu Cannelloni serviert wird. „Die Maschine häckselt mit 10.000 Umdrehungen, das ist Formel-1-Küche“, scherzt Höting. Schon schüttet Streit Kürbiskerne ins gehäckselte Grün. „Selbst gemacht schmeckt’s immer am besten“, sagt der 30-Jährige. Er verwende zwar Petersilie statt Basilikum und Pfeffer statt Tabasco, sternetauglich sei das dennoch.

Einen Raum weiter belegen vier Helfer Brötchen. Die werden unter anderem fürs Café Libresso in der UB vorbereitet. Was kommt drauf? „Tomate Mozzarella – der geile Scheiß“, scherzt einer. Etwa 550 Stück belegen sie im Akkord. Weiter oben werden parallel Schnittchen fürs Audimax vorbereitet. „Es muss schnell gehen“, betont Masun Iselin, stellvertretende Betriebsleiterin. Ohne klare Ansagen sei Chaos in der Küche.

Tatkräftig: Küchenchef Carsten Höting packt auch mal selbst mit an.

Tatkräftig: Küchenchef Carsten Höting packt auch mal selbst mit an.

Nach einer Frühstückspause zieht das Tempo an. In 30 Minuten geht der Rollo hoch – Essensausgabe. Als „Schnellen Teller“ gibt’s Linseneintopf. Den macht heute der Jüngste im Team: Dominik Golbe. „Die Rezepte sind vorgegeben, aber Salz oder Pfeffer macht man nach Gefühl“, erzählt der 26-Jährige. Am Ende schmecke der Chef ab. Früher war Golbe im Edelrestaurant, jetzt macht er Großküche. Der Vorteil für ihn: geregelte Arbeitszeiten. An Feier- und Sonntagen hat er frei.

11.25 Uhr. Die Töpfe dampfen. An der Ausgabe warten die ersten Studenten. Höting zeigt den Küchenfrauen wie man die Cannelloni serviert. „Hektisch wird’s, wenn etwas Unvorhersehbares passiert“, sagt er und fährt den Rollladen hoch. Irgendwas passiere aber eigentlich immer. Heute waren zu wenig Cannelloni vorbereitet. Der Nachschub sei aber schon bereit. Nur ein kleines Missverständnis.

Während der Essensausgabe wird hinten permanent weitergekocht. Dominik Golbe schüttet Maultauschen in Brühe. Um die Tausend Stück bereitet er vor. Auch der Nudelkocher läuft auch Hochtouren. „Die haben wir in Pisa entdeckt“, erzählt Stelter. Das Sieb fahre auf die Sekunde genau hoch, wenn sie al dente sind. Echter Nudelzauber aus Italien sozusagen. In deutschen Küchen eine Rarität.

Et voilà: An der Ausgabe wird im Sekundentakt serviert.

Et voilà: An der Ausgabe wird im Sekundentakt serviert: Essen 1 oder Essen 2.

Im Keller laufen zwei riesige Spülmaschinen auf Hochtouren. Was aufs Band gestellt wird, kommt dort an. Neun Kameras beobachten die Zugänge. „Damit wir sehen, was los ist bei Stau“, ruft Jürgen Schillhabel gegen den Lärm der Maschine an. Aufeinandergestapelte Tabletts oder Servietten seien eine Katastrophe. „Man kann sagen was man will, manche machen es trotzdem“, schimpft er und sortiert sauberes Besteck in Kisten. Alles muss ruck zuck gehen, denn jeder Teller werde gleich dreimal gebraucht. In nur wenigen Minuten muss er wieder an der Ausgabe sein.

„Es muss eben immer alles gemacht werden. Volles Rohr“, sagt Meyer. Sein nicht gelieferter Fisch kommt morgen um 7. Gerade rechtzeitig, um mittags auf dem Teller zu sein.

Bildergalerie

mit den Pfeiltasten durchklicken

Text & Fotos: Till Neumann