Besinnung auf Rädern: Erstes Pilgertaxi für Freiburg STADTGEPLAUDER | 04.03.2017

Vier Passagiere hat Christian Dieckmann immer dabei: Jesus, Maria von Wladimir und zwei Engel. Sie fahren stets als Heiligenbilder über dem Handschuhfach mit. Dieckmann ist als selbstständiger Taxifahrer seit 20 Jahren auf Freiburgs Straßen unterwegs. Wer bei ihm einsteigt, kann sich auf Diskussionen über Gott und die Welt gefasst machen. Denn er ist Katholik mit Leib und Seele. Gott und Geschäft will er jetzt verbinden – mit Freiburgs erstem Pilgertaxi.

Spricht gerne über Glaubensfragen: Taxifahrer Christian Diekmann hat aus seiner Leidenschaft jetzt eine Geschäftsidee entwickelt.

Spricht gerne über Glaubensfragen: Taxifahrer Christian Diekmann hat aus seiner Leidenschaft jetzt eine Geschäftsidee entwickelt.

Der 53-Jährige möchte Fahrten an Gnadens- und Gebetsorte in ganz Europa anbieten. „Ein Service für Personen mit etwas mehr Zeit und Geld, die etwas für die Seele tun möchten“, erklärt er. Die Kosten: Verhandlungssache. Wenn der Mann mit Schiebermütze und Mantel von seiner Geschäftsidee erzählt, sprüht er vor Begeisterung. „Das ist Marketing für meinen Freund Jesus“, sagt er. Längere Chauffeursfahrten seien im harten Taxigeschäft außerdem rentabler.

Bisher habe der Taxifahrer den Pilgerservice nur nebenbei gemacht. „Ab und zu halte ich mit Kunden bei einer Kirche. Ich habe aber auch schon mal einen Pfarrer nach Rom gefahren“, berichtet er. Er sei dem Geistlichen beim Wandern auf dem Schlossberg begegnet. Dort habe er ihm die Visitenkarte seines Pilger­taxis gegeben. „Er hatte einen Termin im Vatikan, wollte aber nicht fliegen. Deshalb hat er mich kontaktiert“, freut sich Dieckmann.

Jetzt will er das als Geschäftsidee ausbauen: Mit Visitenkarten, bedruckten Kugelschreibern und einer Website wirbt er für sein Pilgertaxi. Besinnung sei nicht nur beim Wandern möglich, sondern auch auf dem Beifahrersitz seines Mercedes, sagt er lachend. „Ich könnte aber den Kunden auch einfach nur ihre Koffer fahren“, schlägt er als Alternative vor. Privat geht er selbst gerne pilgern. „Dadurch kann man seine Freundschaft mit Gott erneuern“, sagt er.

Dieckmann zeigt Fotos der letzten Pilgerreise auf seinem iPhone. Plötzlich fangen Kirchenglocken an zu läuten – sein Klingel­ton. Wenn er von befreundeten Nonnen und anstehenden Gebetstreffen berichtet, überschlagen sich seine Erzählungen. Bis er sich stoppt und verlegen schweigt. „Manche interessieren sich für Kunst oder Management. Ich interessiere mich eben für das Christentum.“

Einige Male schon habe er Jogi Löw mitgenommen – und für den Erfolg der Nationalmannschaft bei der WM gebetet. „Sogar mehrere befreundete Ordensschwestern habe ich beten lassen“, berichtet er. Bei seiner nächsten Fahrt habe der Bundestrainer ihm dann ein ordentliches Trinkgeld gegeben. Auf dem nächsten Gebetstreffen werde er um den Erfolg des Freiburger Teams bitten: „Danach läuft’s wieder beim SC!“

Mit seinen Kunden unterhalte sich Dieckmann gerne, auch wenn es auf seine „alten Taxifahrerweisheiten“ nicht ankomme. Einmal habe er Ernst Ulrich von Weizsäcker über München nach Österreich gefahren und mit ihm diskutiert. Der Politiker habe argumentiert, man müsse die Populationsentwicklung reglementieren, sonst gäbe es bald zehn Milliarden Menschen. „Das sehe ich anders. Ich habe versucht, die katholische Seite darzulegen. Zum Beispiel was Abtreibung angeht“, sagt Dieckmann. Weil ihre Meinungen so auseinandergingen, habe Weizsäcker ihn als „schwierigen Fall“ bezeichnet.

Solche Gespräche schätze der Katholik aber. Eben mit Menschen, die nicht so gläubig sind wie er, aber offen: „Papst Franziskus brauche ich nicht. Ich würde lieber Gottsuchende auf eine längere Fahrt mitnehmen.“

Text und Fotos: © Svenja Woitt