chilli-Exklusiv: Die Akte Bauverein – Gerangel um Geld und Posten STADTGEPLAUDER | 13.01.2017

Der heftige Streit zwischen dem Bauverein Breisgau (BVB) und seinem abberufenen Vorstandsvorsitzenden Markus Schwamm ist auch drei Monate nach seiner Aufdeckung durch das Wirtschaftsmagazin business im Breisgau noch nicht beendet: Laut BVB-Aufsichtsratschef Martin Behrens haben zwar mittlerweile beide Seiten die Absicht, sich außergerichtlich zu einigen und das Vertragsverhältnis endgültig aufzulösen. Schwamms Anwalt Christoph Fingerle bestätigt dem chilli lediglich, dass es noch keine neue Sachlage gibt. Es geht um viel Geld, um mehrere hunderttausend Euro.

Geplantes Bauverein-Projekt Neue Ortsmitte Schallstadt: Die Freiburger Architekten Melder + Binkert haben sich mit diesem Entwurf gegen die Konkurrenz durchgesetzt.

Geplantes Bauverein-Projekt Neue Ortsmitte Schallstadt: Die Freiburger Architekten Melder + Binkert haben sich mit diesem Entwurf gegen die Konkurrenz durchgesetzt.

Während für Fingerle das Vertragsverhältnis seines Mandanten „derzeit ungekündigt“ ist, sieht Behrens das völlig anders. Der Aufsichtsrat hatte Schwamm am 14. Oktober von seinem Amt enthoben (wir berichteten exklusiv). Sein Vorstandsgehalt bekommt er seither weiter – ohne zu arbeiten. Über die Höhe der Vergütung machen beiden Seiten keine Angaben. chilli-Informationen zufolge dürfte sie deutlich über 150.000 Euro jährlich liegen.

Auf einer außerordentlichen Vertreterversammlung am 22. November hatte der Aufsichtsrat für den Widerruf des obersten Genossen die nötige Dreiviertelmehrheit bekommen. Damit, so Behrens, liege per Satzung ein wichtiger Grund vor, der eine fristlose Kündigung rechtfertige. Die etwa 75-köpfige Versammlung erteilte dem Aufsichtsrat in gleicher Sitzung aber nicht mit der nötigen Mehrheit gleichzeitig auch das Plazet, die Bedingungen der Vertragsauflösung auszuhandeln. Es hätte durchaus Sinn gemacht, auch diesen Punkt mit auf die Tagesordnung zu nehmen. So aber fühlten sich einige Vertreter offenbar nicht ausreichend informiert.

Vor der Sitzung hatte Schwamm die Vertreter – und wohl auch einige Nicht-Vertreter – in einem zwölfseitigen Schreiben über seine Sicht der Dinge informiert und dabei auch Interna offenbart – etwa aus Aufsichtsratsprotokollen. Ob dies wegen einer Verschwiegenheitsverpflichtung sogar strafrechtliche Konsequenzen haben könnte, ist offen. Es sei in der Sitzung, erzählt eine Vertreterin dem chilli, „emotional“ zugegangen: „Es kam viel schmutzige Wäsche auf den Tisch.“

Der ohnehin zwischen dem neuen Chef Schwamm und dem langjährigen Vorstandsvorsitzenden Reinhard Disch bestehende Schwelbrand hatte sich schließlich an einem Bauprojekt in der Ortsmitte von Gundelfingen entzündet. Schwamm wollte, dass dort aufgrund von Kostensteigerungen keine Miet-, sondern Eigentumswohnungen gebaut werden sollten (wir berichteten). Bürgermeister Raphael Walz und Mitglieder des Gemeinderats waren brüskiert. Mündlich war das anders vereinbart worden.

Verhandelt um die Vertragsauflösung: Markus Schwamm.

Verhandelt um die Vertragsauflösung: Markus Schwamm.

Schwamm verwies in der Sitzung darauf, dass der Beschluss dazu im Aufsichtsrat einstimmig gefasst worden sei. „Das stimmt“, räumt Behrens ein, aber Schwamm habe falsche wirtschaftliche Zahlen vorgelegt und damit den Beschluss bekommen. Vier Prozent Eigenkapitalverzinsung und drei Prozent für Fremdkapital soll der gebürtige Freiburger gerechnet haben. Beides ist aktuell nicht marktüblich. Dass sich das Gundelfinger Projekt sehr wohl auch mit den neun Mietwohnungen rechnet (Quadratmetermiete: 10,65 Euro), habe der für Genossenschaften zuständige Verband bestätigt, sagt Disch, der nun wieder den obersten Genossen gibt.

Schwamm habe auch andere bereits geplante Bauvorhaben nicht machen wollen: die Gutleutmatten-West etwa, die mehr als fünf Prozent Rendite brächten, das Haus Lukas in St. Georgen oder die neue Ortsmitte in Schallstadt. „Alles Projekte, die sich rechnen“, sagt Disch. Zudem hatte der neue Chef dem alten vorgeworfen, Gefälligkeitsmieten vereinbart zu haben, die Mieten seien generell zu niedrig und man müsse in der Bilanz Wertberichtigungen machen. Disch zeigt ein Schreiben eines unabhängigen Wirtschaftsprüfungsinstituts, das dem BVB bestätigt hat, dass nichts berichtigt werden müsse.

Schwamm habe Führungskräften anderer Wohnungsunternehmen gegenüber sogar gesagt, dass der Bauverein ein Sanierungsfall sei, so Behrens. Die Jahresabschlüsse wiesen indes stets Millionengewinne aus. Im vergangenen Jahr waren es 3,5 Millionen Euro, zudem wurde das Eigenkapital noch um 3,1 auf 85,8 Millionen aufgestockt.

Hat wieder das Kommando übernommen: Reinhard Disch.

Hat wieder das Kommando übernommen: Reinhard Disch.

Der Streit auf der Kommandobrücke eskalierte immer mehr. Schwamm redete Dischs Arbeit schlecht, unterstellte den Mitarbeitern ein Abhängigkeitsverhältnis zum alten Chef. Disch distanzierte sich mehr und mehr von dem neuen Mann, der aber Ende September 2015 von der Findungskommission des damaligen Aufsichtsrats unter dem Vorsitz von Jürgen Seemann (Disch und Behrens saßen auch in dem Gremium) einstimmig bestellt worden war. So ganz unbekannt kann der neue dem alten Chef dabei gar nicht gewesen sein: Dischs Tochter arbeitet seit Jahren bei der städtischen Wohnungsbau GmbH Lahr. Von der kam Schwamm.

Die städtische Tochter hat für 2015 noch keine Entlastung der Geschäftsführung bekommen. Das bestätigt auf Anfrage Oberbürgermeister und Aufsichtsratschef Wolfgang G. Müller. Es sei „im Einvernehmen“ zwischen Geschäftsführung und Aufsichtsrat und „rein vorsorglich“ wegen „nicht auszuschließender Risiken“ aus Geschäften der Gesellschaft“ erfolgt. Die Geschäfte führte Markus Schwamm. Nach chilli-Informationen soll er einen Millionen-Auftrag an die B&O-Gruppe vergeben haben, ohne eine ordentliche Ausschreibung. Müller sagt aber auch: „Einen Zusammenhang mit dem Ausscheiden von Herrn Schwamm als Geschäftsführer Ende März gibt es nicht. Herr Schwamm hat in Lahr 13 Jahre lang eine sehr gute Arbeit geleistet.“

Seemann verabschiedete sich im vergangenen Februar „aus beruflichen Gründen“ aus dem Aufsichtsrat. Ein Insider erzählt, dass er sich hernach selber für den ebenfalls vakanten zweiten Vorstandsposten interessiert haben soll. Das ist mittlerweile abgehakt.

Auch Schwamm hatte sich schon einmal auf den Vize-Posten beim Bauverein beworben. Er fiel aber durch, den Job bekam im Juli 2009 Doris Reiprich. Behrens muss derweil nun gleich beide Führungspositionen neu besetzen. Die Beraterfirma, die Schwamm vorbehaltlos vorgeschlagen hatte, wurde durch eine andere ersetzt. Diese hat schon eine lange Liste nach Freiburg geschickt. Die Kommandobrücke beim Bauverein ist ungebrochen attraktiv. Im Dezember soll es eine erste Auswahlrunde mit den Kandidaten geben, im Januar eine zweite. Danach sollen die wegweisenden Entscheidungen getroffen werden, im Juli die Brücke wieder besetzt sein. Eine Neuerung wird es in den Vorstandsverträgen übrigens geben: eine einjährige Probezeit.

Text: Lars Bargmann / Fotos: © BVB / Visualisierung: © BVB