cultur.zeit-Interview mit Kulturbürgermeister Ulrich von Kirchbach STADTGEPLAUDER | 27.12.2017

Ulrich von Kirchbach will im kommenden April seine dritte Amtszeit im Freiburger Rathaus antreten. Er habe noch sehr viel Energie, die er für die Stadt einsetzen will, erzählt er im Interview mit cultur.zeit-Chefredakteur Lars Bargmann. Der Sozialdemokrat spricht auch über die GroKo, über Tiefschläge, Höhepunkte und die kulturpolitische Agenda 2018.

cultur.zeit: Herr von Kirchbach, die Jamaika-­Verhandlungen sind aufs Kläglichste gescheitert. Ihre Partei hatte noch am Wahl­abend klar erklärt, dass sie für eine erneute GroKo nicht zur Verfügung stünde. Auf Wunsch des Bundespräsidenten Frank-­Walter Steinmeier muss sie sich aber nun wieder damit befassen. Wie bewerten Sie das?
von Kirchbach: Die Aussage nach der Wahl war richtig. CDU und SPD hatten deutlich verloren. Jetzt ist aber eine neue Situation entstanden. Neuwahlen will keiner, da würde vielleicht sogar die AfD profitieren. Ich kann mir gut vorstellen, dass es zu einer qualifizierten Duldung einer Minderheitsregierung, gegebenenfalls auch von CDU/CSU oder CDU/CSU und Grünen, kommt. Die SPD ginge dabei nicht mit Ministern in ein neues Kabinett, könnte aber in einem Vertrag mit der Regierung etwa die Haushalte und deren Schwerpunkte absichern. Das wäre für Deutschland neu, ist aber in anderen Ländern nicht unüblich. So eine Lösung würde den Parlamentarismus stärken.

cultur.zeit: Eine neue GroKo kommt für die SPD nicht in Frage, weil sie da in fünf Jahren wieder als Verlierer vom Feld gehen würde?
von Kirchbach: Bisher war es ja immer so, dass der Juniorpartner der CDU am Ende als Verlierer dasteht. Aber Angela Merkel wird wohl 2021 nicht in eine fünfte Amtszeit gehen wollen und dann werden die Karten neu gemischt.

cultur.zeit: Fürs Inland wäre eine Minderheitsregierung vielleicht eine brauchbare Alternative, aber für Deutschlands Rolle in der EU?
von Kirchbach: Die EU braucht eine stabile Regierung in Deutschland. Einen Versuch mit einer qualifizierten Duldung, sicher ein Experiment, wäre das aber wert.

von Kirchbach: Will in seiner dritten Amtszeit die Weichen für einen musealen Neubau stellen.

cultur.zeit: Das Experiment, die Intendantin Barbara Mundel mal ein Konzept fürs Freiburger Stadtjubiläum entwerfen zu lassen, ohne vorher einen finanziellen Rahmen abzustecken, ist beeindruckend missglückt. Mundel warf hin, es gab viele Beschädigungen …
von Kirchbach: Ich würde nicht sagen, dass Mundel hingeworfen hat. Ihr Vorschlag wurde von mir und auch vom Oberbürgermeister Dieter Salomon mit großer Begeisterung aufgenommen. Aber durch eine Indiskretion wurde dann plötzlich nicht mehr über Inhalte, sondern nur noch übers Budget (Mundels Konzept hätte neun Millionen Euro gekostet, d. Red.) gesprochen. Und das mitten in schwierige Haushaltsberatungen hinein. Das war sehr unglücklich. Ich will aber nicht mehr in den Rückspiegel schauen. Der Gemeinderat hat bei drei Millionen Euro den Deckel draufgemacht, plus das, was durch Sponsoren möglich wird, und wir haben in Holger Thiemann eine ideale Neu-Besetzung für die Regie des Jubiläums gefunden.

cultur.zeit: Thiemann kehrt ja gleichsam in den Schoß der Stadtverwaltung zurück, ist in der Kulturszene als Macher der Internationalen Kulturbörse Freiburg top vernetzt …
von Kirchbach: … deswegen war auch der OB unabhängig von mir schon auf den Namen gekommen. Nun ist das Jubiläum in meinem Dezernat angesiedelt und wird uns die nächsten drei Jahre intensiv beschäftigen.

cultur.zeit: Ein Stadtjubiläum light?
von Kirchbach: Das kann man so nicht sagen, es wird ein anderes Jubiläum. Man kann auch mit dem jetzigen Budget etwas Gutes, etwas Sinnvolles machen. Wir brauchen zuerst mal ein Motto, das die Begriffe „Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft“ umfasst. Das Jubiläum ist auch nicht nur eine Kulturveranstaltung, sondern soll für viele Bereiche, etwa den Sport, Chancen bringen, sich darzustellen. Wir wollen feiern, aber es sollte auch etwas Nachhaltiges geschaffen werden. Das Jubiläum darf nach 2020 nicht einfach in Vergessenheit geraten.

cultur.zeit: Die Beinahe-Insolvenz des Theaters im Marienbad war der zweite kulturpolitische Tiefschlag des Jahres.
von Kirchbach: Das Marienbad war Tiefschlag und Höhepunkt gleichzeitig. Wir haben angesichts der Insolvenzgefahr sofort das Heft des Handelns übernommen, denn das Theater ist aus Freiburg nicht wegzudenken. Finanzbürgermeister Otto Neideck war einverstanden, dem Theater einen zinslosen Kredit von 250.000 Euro zu gewähren, und auch der Gemeinderat hat gleich mitgezogen …

cultur.zeit: … wenn eine vergleichsweise kleine Kulturinstitution trotz 1,2 Millionen Euro öffentlicher Zuschüsse insolvent geht, stimmt offenbar etwas an der Struktur nicht.
von Kirchbach: Ja, Geld allein reicht nicht, wir brauchen auch Veränderungen. Bisher lag zu viel bei einer Person, jetzt haben wir mit Alexander Lepach einen versierten Finanzfachmann beauftragt, die Dinge zu ordnen und mit dem Vorstand das Theater auf eine neue Schiene zu setzen. Wir brauchen als Pendant zur vorhandenen künstlerischen Professionalität auch die Kaufmännische Expertise im Haus. Da gibt es aber auch keinen Dissens. Das Marienbad hat 25 Jahre hervorragende Arbeit geleistet, es wäre kulturpolitisch ein Fehler gewesen, es insolvent gehen zu lassen, zumal die Zuschüsse des Landes (rund 400.000 Euro, d. Red.) dann auch weggefallen wären.

cultur.zeit: Ums Geld wird es auch bei der neuen Zielvereinbarung mit dem Stadttheater gehen, die 2018 neu vereinbart werden muss, rechnen Sie mit komplizierten Verhandlungen? von Kirchbach: Der neue Intendant Peter Carp hat einen guten Start hingelegt, wir werden uns sicher einigen.

cultur.zeit: Welche anderen Dinge stehen auf der kulturpolitischen Agenda 2018?
von Kirchbach: Viele Kräfte bindet der letzte Bauabschnitt des Augustinermuseums, das 2020 pünktlich zum Jubiläum so gut wie fertig sein soll. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass wir die Weichen für eine neue Heimat fürs Stadtarchiv stellen. Das Archiv ist das kollektive Gedächtnis unserer Stadt, wir müssen schauen, dass es nicht an Demenz leidet. Der jetzige Bau ist marode und hat keine Aufnahmekapazitäten mehr.

cultur.zeit: Ein Vorschlag ist ein Neubau an der Messe.
von Kirchbach: Der Standort ist gut, ich gehe davon aus, dass das klappt. Wir werden uns zudem mit einem Dokumentations- und Infozentrum zum Nationalsozialismus in Freiburg befassen.

cultur.zeit: Fehlt in Freiburg eine Vision für die Stadthalle, in die zur kurzfristigen Flüchtlingsunterbringung stolze 4,3 Millionen Euro geflossen sind?
von Kirchbach: Diese Kosten haben wir vom Land zurückbekommen. Das war in einer Notsituation eine sinnvolle Investition, sonst hätten wir Turnhallen sperren müssen. Nun warten wir ab, wann uns das Land wegen der geplanten Erstaufnahmestelle in Freiburg von weiteren Flüchtlingszuweisungen freistellt. Bis 2018 halten wir die Halle vor und nutzen sie auch für Obdachlose als Notfallunterkunft. Danach muss man sich Gedanken machen, wie man das denkmalgeschützte Gebäude nutzen will. Wenn ich meine dritte Amtszeit antreten darf, möchte ich auch noch Weichen für einen Neubau für die Moderne Kunst in Freiburg stellen, von dem auch ein städtebaulicher Impuls ausgehen soll.

cultur.zeit: Dieter Salomon hat unlängst beim Wohnungsbau eine überraschende Kehrtwende von der bisherigen Politik hingelegt. Freiburg brauche gar kein Bauen auf Teufel komm raus. Wie bewerten Sie das?
von Kirchbach: Ich kann nur sagen, dass sich aus meiner Sicht als Sozialbürgermeister die Wohnungssituation nicht entspannt hat, dass wir weiter einen großen Bedarf vor allem an preiswerten Wohnungen haben. In die aktuelle Flächendiskussion will ich mich aber nicht ein- mischen.

cultur.zeit: Herr von Kirchbach, vielen Dank für dieses Gespräch.

Zur Person

Ulrich von Kirchbach wurde am 28. März 1956 in Deggingen geboren. Seit 2002 ist der Sozialdemokrat Bürgermeister für Kultur, Jugend, Soziales und Integration in Freiburg.

Fotos: © Vas