Das Augustinermuseum zeigt Nationalsozialismus in Freiburg STADTGEPLAUDER | 22.11.2016

 
Am 26. November eröffnet im Freiburger Augustinermuseum die erste umfassende Sonderausstellung zum Thema „Nationalsozialismus in Freiburg“. Zehn Monate lang, bis zum 7. Oktober 2017, werden dort persönliche Schicksale aus dieser Zeit beleuchtet. Nicht nur im Museum, sondern auch in vielen begleitenden Führungen, Vorträgen und Zeitzeugengesprächen wird zu erfahren sein, wie es sich unter dem Hakenkreuz in der Stadt lebte, die Oberbürgermeister Franz Kerber und Gauleiter Robert Wagner im Herbst 1940 stolz zur „ersten judenfreien deutschen Großstadt“ erklärten.

 

 

Das war kurz nach der Deportation von mehr als 450 jüdischen Freiburgern in das in den französischen Pyrenäen gelegene Internierungslager Gurs, die auch Thema der Ausstellung ist. Am 22. Oktober, dem sechsten Tag des Laubhüttenfests, wurden sie in den frühen Morgenstunden in ihren Wohnungen überrascht, hatten bis zum Abtransport zur Güterverladestelle am Hauptbahnhof nur eine Stunde Zeit, einen Koffer zu packen. Nur ganz wenige Vertriebene überlebten das Lager, manchen gelang die Flucht, andere wurden ausgelöst und fanden Zuflucht. Zu diesen „Freigekauften“ gehörte die Familie Adler, deren Nachkommen in Uruguay leben und deren mit Transit-Visa versehenen Reisepässe auch ausgestellt werden.
 
An sie alle erinnert am Aufgang zur Wiwilí-Brücke eine nicht besonders auffällige Bronzeskulptur in Form eines Mantels: Ein Kleidungsstück, das in der Eile vielleicht vergessen wurde. Das vielleicht aber auch zurückgelassen werden musste – wie die Kunst- und Wertgegenstände, der Hausrat, die Möbel. Diese wurden, so zeigt ein anderes Dokument der Ausstellung, in den folgenden Tagen bei nur für „Arier“ zugänglichen Versteigerungen gewinnbringend veräußert.
 
Von einer solchen Auktion stammt ein weiteres Exponat: Ein Schachspieltisch aus dem Besitz von Jeanette Schwarz, die in der Zasiusstraße 89 wohnte und von dort zusammen mit ihrer Tochter zur Sammelstelle für den Gurs-Transport am Annaplatz gebracht wurde. Ihre christliche – und somit „arische“ – Schwiegertochter Mathilde Schwarz brachte den Mut auf, diesen Tisch und ein paar andere Gegenstände zu ersteigern und für die Familie zu retten. Er stand bis weit nach Kriegsende in ersten Stock des Hauses Oberau 57, wo Mathilde Schwarz mit ihrem Mann Otto und den beiden Kindern wohnte.
 

„Krieg“, Zeichnung von Gretel Bechtold aus dem Jahr 1937.

„Krieg“, Zeichnung von Gretel Bechtold aus dem Jahr 1937.


 
Vor diesem Haus liegen nun seit wenigen Wochen zwei neue Stolpersteine – zwei von inzwischen 410 kleinen Mahnmalen, die auf Initiative von Marlis Meckel seit 2003 auf Freiburgs Gehwegen verlegt werden – zum Gedenken an die Menschen, die aus politischen, rassischen und anderen Gründen zu Verfolgten wurden.
 
Denn die Familie Schwarz war, obwohl in einer „privilegierten Mischehe ersten Grades“ lebend, vielfachen Repressalien ausgesetzt, wie sich der heute 88-jährige Helmuth Schwarz erinnert. So durfte sein Vater nicht mehr arbeiten und wurde im Frühjahr 1945 noch in das KZ Theresienstadt verschleppt. Er selbst musste als „Halbjude“ 1938 von einem Tag auf den anderen die Rotteckschule verlassen. Er kannte auch die Familie Liefmann, von der es bei der Ausstellung eine Spur gibt: Einen Mitglieder-Karteikasten des Alpenvereins, mit der Karte von Robert Liefmann, der 1938 aus rassischen Gründen ausgeschlossen wurde.
 
Aus dem Jahr davor stammt auch ein Modell der städtebaulichen Überplanung des heutigen Rotteckrings. Bezeichnenderweise ist hier die Synagoge nicht mehr zu finden, obwohl sie zum Planungs-Zeitpunkt noch auf dem Platz neben dem heutigen KG I stand, an dem Bauarbeiter unlängst Teile ihres Fundaments fanden. Woraufhin zwischen der Israelitischen Gemeinde und dem Rathaus ein Streit entbrannte, was mit diesen Steinen geschehen soll. Die Gemeinde fordert, die Steine zu schützen und sichtbar zu machen, die Stadtverwaltung will sie teils schützen und verfüllen, teils ausbauen und an anderer Stelle zeigen.
 
Während hier alles relativ schnell geht, dauerten die Vorbereitungen für die Ausstellung fast zwei Jahre. Die Städtischen Museen stellten eigens den Historiker Robert Neisen ein. Zusammen mit dem Stadthistoriker Peter Kalchthaler und einem vierköpfigen Team konzipierte er die Ausstellung, die in drei Bereiche aufgeteilt ist: Da geht es zum einen um die wirtschaftliche Krise in den letzten Jahren der Weimarer Republik und die Heilsversprechen der Nazis, dann um Machtübernahme, Gleichschaltung, Ausgrenzung und Gewalt sowie schließlich um den Weg aus der Diktatur und um den „Freiburger Kreis“.
 

 
Zu diesem Team gehört auch Andreas Meckel, der seit Jahren zu diesem Thema forscht und „schon viel bisher Unbekanntes ausgegraben“ und veröffentlicht hat. Aus seiner Feder stammen allein neun Beiträge im Ausstellungskatalog. Seinen vielfachen Kontakten sind zahlreiche private Ausstellungsstücke zu verdanken, andere wurden etwa über einen öffentlichen Aufruf im Amtsblatt im Sommer 2015 aufgestöbert. Meckel hofft, dass aus dem temporären Projekt ein zeitloses wird: Dass in Freiburg eine Mahn- und Gedenkstätte mit Dokumentationszentrum eingerichtet wird.
 
Text: Erika Weisser / Fotos: © Städtische Museen Freiburg – Augustinermuseum/Axel Killian; Deutscher Alpenverein, Sektion Freiburg, Axel Killian
 
 
Infos:
 
Augustinermuseum
Augustinerplatz 1, 79098 Freiburg
Dauer der Ausstellung: 26. November 2016 bis 7. Oktober 2017
Öffnungszeiten: Di. – So., 10 – 17 Uhr
Anmeldung für Führungen: Tel.: 0761 201-2501
Eintritt: 7 Euro; ermäßigt 5 Euro, frei mit Museumspass
www.freiburg.de/museen