Richter bremsen hunderte Bebauungspläne aus – Verstoß gegen EU-Recht Verwaltungsrecht | 30.08.2023 | Lars Bargmann

Plan durchgestrichen Zurück auf Los: Die Entwicklung des Baugebiets Rösslebach verzögert sich um ein Jahr.

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig (BVG) hat das Baurecht nach Paragraf 13b des deutschen Baugesetzbuches einkassiert. Weil es gegen EU-Recht verstößt. Geklagt hatte der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND).Der 13b, schon seit sechs Jahren im Gesetz, erlaubt Kommunen, auch im Außenbereich auf Flächen bis 10.000 Quadratmeter im sogenannten beschleunigten Verfahren Baurecht zu schaffen. Umweltschützer klatschen Beifall, hunderte Kommunen und die Bauwirtschaft reagieren kopfschüttelnd bis entsetzt.

Die Leipziger Richter sorgen damit landauf landab für eine Entschleunigung. Auch das Freiburger Baudezernat muss das Verfahren fürs geplante Baugebiet „Rossbächle“ am Ortsrand von Munzingen jetzt völlig neu aufrollen.

Gegen den 13b hatte es in der Vergangenheit bundesweit immer wieder klagenden Widerstand gegeben. Ins Gesetz geschrieben hatte der Bundestag den Paragrafen im Mai 2017 ursprünglich, um Städten und Gemeinden schnellere Baurechte für Flüchtlingswohnungen zu ermöglichen, ohne eine bei einem normalen Bebauungsplan obligatorische intensive Umweltprüfung. Ohne Ausgleichsflächen. Und ohne dafür den Flächennutzungsplan ändern zu müssen.

Bislang hatten mehrere Oberlandesgerichte und auch der baden-württembergische Verwaltungsgerichtshof (VGH) die Klagen stets abgewiesen. Nicht nur Freiburgs Baubürgermeister Martin Haag ist vom finalen Urteil in der Sache – eine Revision ist nicht zugelassen – kalt erwischt worden. „Das war extrem überraschend, da bin ich fast sprachlos“, kommentiert er im Gespräch mit der Redaktion. Die Kommunen hätten sich darauf verlassen, dass das, was im Baugesetz steht, auch gilt. Nur eine Woche nach dem Urteil hätte der Gemeinderat die Satzung für „Rossbächle“ beschließen sollen. Die Beschlussvorlage G-23/128 für das 8000 Quadratmeter große Grund­stück umfasst 322 Seiten. Mindestens ein Jahr, so Haag, verzögert sich das nun: „Sehr ärgerlich, weil sich damit auch der Bau der dringend benötigten Wohnungen verzögert.“ Geplant waren 8 Reihenhäuser für Eigentümer, 21 geförderte – auch für Geflüchtete –und 12 frei finanzierte Mietwohnungen, die die Freiburger Stadtbau herstellen soll.

Naturfrevel gegen Wohnungsbau

Wolf-Dieter Winkler, Stadtrat von Freiburg-Lebenswert und Kritiker des Baugebiets „Rossbächle“, hatte im vergangenen April Freiburgs Oberbürgermeister Martin Horn angeschrieben, weil nach seiner Kenntnis das Rathaus die Fristen für ein Verfahren nach 13b nicht eingehalten habe. Dem war nicht so. „Von der Regelung des § 13b BauGB wird im vorliegenden Verfahren rechtmäßig Gebrauch gemacht“, schrieb Haag zurück. Dem ist nun auch nicht mehr so. Allerdings nicht wegen der Fristen.

Das aktuelle BVG-Urteil galt einem Bebauungsplan in Gaiberg bei Heidelberg. Gegen den hatte der BUND geklagt und sich dabei auf EU-Recht berufen. Beschleunigte Verfahren seien nur dann möglich, wenn „erhebliche Umweltauswirkungen in jedem Fall von vornherein ausgeschlossen sind“. Davon ist – ohne Begutachtung – so gut wie nie auszugehen. Der 13 b habe dazu geführt, dass nicht nur in Gaiberg naturschutzfachlich wertvolle Gebiete zerstört wurden, kommentierte Sylvia Pilarsky-Grosch, die Vorsitzende des BUND Baden-Württemberg: „Diesem Naturfrevel ist nun ein Riegel vorgeschoben.“

Markus Böll, Verbandspräsident der baden-württembergischen Bauwirtschaft, kritisierte das Urteil: „So verschärft man die Wohnungsnot und erweist den Wohnungssuchenden einen Bärendienst.“ Es brauche nun dringend neue Möglichkeiten, damit die Kommunen auch in Zukunft schnell und flexibel kleinere Bebauungsgebiete ohne langwierige Genehmigungsverfahren ausweisen können.

Planzeichnung: © Stadt Freiburg; Grafik: © Freepik