Die Brückenbauerin: Eine Frau im Rabbineramt STADTGEPLAUDER | 28.03.2018 | Erika Weisser

Im Februar 1998 wurde in der Ehemaligen Synagoge in Sulzburg eine liberale jüdische Beter-Gemeinschaft für den Raum Freiburg gegründet, aus ihr ist der Verein Egalitäre Jüdische Chawurah Gescher Freiburg hervorgegangen.

Gescher ist das hebräische Wort für Brücke; den etwa 70 Gemeindemitgliedern ist dieser Name Auftrag – sie sehen sich als Verbindungsglieder zwischen Vergangenheit und Zukunft, als Vermittler zwischen Tradition und Moderne. Einer ihrer Grundsätze ist die Gleichstellung der Geschlechter. Kein Wunder also, dass eine Frau das Rabbineramt ausübt: Diane Tiferet Lakein. Die 51-jährige gebürtige US-Amerikanerin teilt sich ihre Arbeit zwischen Freiburg und Basel auf, wohnt aber (noch) in der Nähe von Bonn.

„In Freiburg sind wir nicht so bekannt wie die traditionelle Einheitsgemeinde, die mit der Synagoge und dem Zehnfachen an Mitgliedern stärker in Erscheinung tritt als wir. Wir wurden in der Stadt erstmals wirklich sichtbar, als im Herbst 2016 im Zuge der Bauarbeiten zur Neugestaltung des Platzes der Alten Synagoge Mauerreste des Fundaments eben dieses am 9. November 1938 zerstörten Gotteshauses gefunden wurden. Über den würdigen Umgang mit diesen Steinen gab es Auseinandersetzungen, an denen wir uns beteiligten. Schließlich war die jüdische Gemeinschaft vor der Schoah auch in Freiburg mehrheitlich liberal geprägt, auch die Synagoge wurde liberal geführt.

Ich betreue die Gemeinde seit fünf Jahren, wurde aber erst im Januar 2017 als Rabbinerin ordiniert und im Juni in die Allgemeine Rabbiner-Konferenz Deutschland aufgenommen, als die siebte Frau von damals und derzeit insgesamt 29 Mitgliedern dieser Konferenz. Ich musste also keine Pionierarbeit mehr leisten; der Begriff ‚Frau Rabbiner’ gehört schon lange der Vergangenheit an.  

Anders als in orthodox ausgerichteten Gemeinden ist es für uns von der Union Progressiver Juden selbstverständlich, dass Frauen im Gottesdienst liturgische Aufgaben übernehmen und auch nicht getrennt von den Männern auf einer Empore sitzen müssen. Natürlich ist auch der orthodoxe Weg zu Gott legitim, jede Strömung im Judentum hat ihre Geschichte und Berechtigung. Doch für mich persönlich wäre dies nicht die richtige Wahl gewesen, obwohl ich in einer eher traditionell ausgerichteten Familie aufgewachsen bin.  

Ich schlug erst relativ spät die rabbinische Laufbahn ein. Und erst in Deutschland, wohin ich 1994 wegen einer thematischen Recherche für mein Doktorstudium in Ethnologie und Geschichte kam. Ich blieb, gründete eine Familie, entfernte mich von der angestrebten akademischen Karriere und begann, mich intensiver mit dem Judentum zu beschäftigen, das ich als religiöse und kulturelle Gemeinschaft sehe. Nach Jahren ehrenamtlicher Tätigkeit begann ich mit 42 Jahren dann mein Rabbinatsstudium – und es war genau das Richtige für mich.  

Ich liebe die Arbeit bei Chawurah Gescher und ich würde sehr gerne nach Freiburg ziehen, wenn wir es schaffen, hier endlich ein Rabbinat mit festen Gebetsräumen einzurichten.“

Foto: © aleph.org