Die Rückkehrer: In Freiburg brüten wieder Kiebitze STADTGEPLAUDER | 26.12.2016

Ein schwarz-weißer Vogel mit einer Federhaube auf dem Kopf, die wie ein zurückgegelter Iro aussieht – dieser Anblick ist in Freiburg selten geworden. Doch das könnte sich nun ändern: In diesem Jahr haben hier erstmals wieder Kiebitze gebrütet. Während vor 20 Jahren 2000 Paare am südlichen Ober-rhein heimisch waren, waren es 2015 gerade noch 45. Nun haben zwei Kiebitzpaare den Acker von Landwirt Erwin Wagner neben dessen Maisfeldlabyrinth in Opfingen zu ihrer neuen Heimat erkoren und jeweils vier Jungvögel aufgezogen. Das chilli hat einen der Kiebitze zum Interview getroffen.
 

 
„Kiwitt, kiwitt! Na, ihr Freiburger, das habt ihr schon lange nicht mehr gehört, nicht wahr? Zugegeben, ich habe mich in den vergangenen Jahren ganz schön rar gemacht: In der ganzen Oberrheinregion leben nur noch sehr wenige Verwandte von mir. Kein Wunder: Habt ihr mal versucht, Kinder großzuziehen, während Traktoren lautstark an euch vorbeibrettern? Und gerade hat man sich sein Heim gemütlich eingerichtet, kommt so ein Bauer, der seinen Führerschein wohl beim chilli-Gewinnspiel gewonnen hat, und fährt dir mitten durch die Hütte!
 
Den Politikern in Baden-Württemberg
ist darauf nichts Besseres eingefallen, als mich auf eine Rote Liste zu setzen – als ob so ein Blatt Papier zum Nestbauen ausreichen würde. Da ist mir der Erwin Wagner lieber. Gut, der hat mich auch eine ganze Weile nicht beachtet. Kannte vor zwanzig Jahren wohl noch meine Großeltern, aber mittlerweile fährt er selbst nicht mehr so oft mit dem Traktor raus. Das machen jetzt seine Mitarbeiter und die sitzen in einer klimatisierten Kabine, das Radio schön aufgedreht und sind mächtig unter Zeitdruck, weil es die niedrigen Maispreise anscheinend nicht mehr zulassen, dass man gemütlich übers Feld tuckert. Auf jeden Fall kann ich da Rabatz machen, so viel ich will – die hören mich einfach nicht!
 
Da muss erst so ein Vogel-Paparazzo – oder Ornithologe, wie ihr Menschen das lieber nennt – daherkommen und dem Umweltschutzamt von mir erzählen. Die haben dann mit dem Erwin ausgemacht, dass der seinen Mais nicht gerade auf dem Ackerstück anbaut, auf dem ich mein Nest gebaut habe. Zugegeben, eine schöne Moorwiese wäre mir lieber – aber wo findet man die heutzutage noch?
 

 
Der Erwin sagt, er wäre mit seinem Traktor eh nicht über mich drüber gefahren, jetzt, wo er weiß, dass ich da bin. Aber der Erwin ist auch keiner, der es der Stadtverwaltung gerne leicht macht. Ihm stinkt so einiges, was die Politiker – um fair zu bleiben, als stellvertretender Ortsvorsteher von Opfingen ist er ja selber einer – so beschließen: Das Land sagt, er darf seinen Mais nicht mehr direkt am Bach anbauen, und die Stadt verlängert seine Pachtverträge nicht, weil seine Felder als Ersatzflächen für die Dietenbach-Bauern herhalten müssen.
 
Er hat deswegen hart verhandelt, bis er genügend Geld für all den nicht-angepflanzten Mais bekommen hat. Wie viel genau, will er mir nicht verraten – und ich kiebitze natürlich nicht in seine Bücher. Trotzdem hab ich gehört, dass es im Frühjahr nochmals 600 Euro pro Hektar geben soll. Denn ich bin zwar gerade mit meinen vier Kindern auf Urlaub in Westeuropa, im Frühjahr komme ich aber gerne wieder nach Opfingen zurück – wenn man mir ein schön gepflügtes, mais-freies Fleckchen zum Brüten lässt.“
 
Aufgezeichnet von Tanja Bruckert / Foto: © Thorsten Krüger