Doku beleuchtet Freiburger "Häuserkämpfe" Kinonews | 21.07.2016

Kajo 282? Dreisameck? Schwarzwaldhof? Willi 36? AZ? Den meisten jungen oder neuen Freiburgern werden diese Namen heute kein Begriff mehr sein. Das Kommunale Kino hingegen, das E-Werk und auch das Theater im Marienbad kennt jede und jeder. Und das Crash natürlich sowieso.

Häuserkampf in Freiburg

Dabei haben die erwähnten Orte sehr viel miteinander zu tun, wie in „Diogenes in Freiburg“, der neuen Dokumentation der beiden Freiburger Filmemacher Siggi Held und Bodo Kaiser, schnell deutlich wird: Die einen, heute fest zu Freiburgs Kultur- und Partyszene gehörenden Schauplätze sind entstanden, als die anderen im Untergang begriffen waren. Oder besser: geräumt und dichtgemacht wurden. Denn es handelte sich um Häuser und Gelände, die vor knapp 40 Jahren von vorwiegend jungen Leuten besetzt worden waren, um sich selbstbestimmte Freiräume für alternative Lebens-, Arbeits-, und Kulturformen zu schaffen. Und die aufzugeben sie nicht bereit waren – die meisten jedenfalls.

Ende der 1970er bis in die Mitte der 1980er Jahre kam es deshalb zu teilweise heftigen Auseinandersetzungen um diese Projekte; mit Bildern und Szenarien, die an Belagerungszustände erinnerten, geriet Freiburg damals bundesweit in die Schlagzeilen.

Regisseure Siggi Held & Bodo Kaiser am Schnittplatz

Cut: Regisseure Siggi Held & Bodo Kaiser am Schnittplatz

„Chaotenhochburg und Bullenburg“ ist die „bis dahin so schöne und ruhige Stadt“ genannt worden, erinnert sich der ehemalige Oberbürgermeister Rolf Böhme an einer Stelle des Films, mit dem Held und Kaiser aus heutiger Sicht ein Licht auf die damaligen Ereignisse werfen. Und etwa auch mit Böhme über den alten Wiehre-Bahnhof, das ehemalige Marienbad, das frühere städtische Elektrizitätswerk oder den einstigen Getränkelagerkeller an der Schnewlinstraße sprechen: Diese Orte hatte das Rathaus den alternativen Kulturschaffenden in der Hausbesetzerszene damals zur Verfügung gestellt.

Und so dreht sich ein großer Teil der Gespräche mit damaligen Szeneaktivisten und Repräsentanten der Stadt um die für viele bis heute zentrale Frage, wo die Ursachen dafür zu suchen sind, dass die im Häuserkampf formierte und ziemlich starke autonome Szene dann doch relativ schnell zusammenbrach. War es die Folge der städtischen, sogenannten „Befriedungspolitik“? Oder lag es daran, dass sie intern bereits gespalten war?

Häuserkampf in Freiburg

Dabei ergibt die Aussage des damaligen polizeilichen Einsatzleiters Werner Wagner, es habe bereits bei der Räumung des Dreisamecks Informanten aus der Szene gegeben, die ihn über die geplanten Strategien der  Besetzer aufgeklärt hätten, aus heutiger Sicht eine neue Perspektive auf die damaligen Ereignisse. Und Günter Ihrig gewährt Einblick in die anarchopolitische Ausrichtung eines Teils der Hausbesetzerszene, die heute in der Regel verdrängt und geleugnet wird.

Bei der Premiere des Films gibt es Gelegenheit, diesen Fragen nachzugehen – und möglicherweise selbst Antworten zu finden. Held und Kaiser werden da sein. Und andere Zeitzeugen.

Text: Erika Weisser / Fotos: © Bodo Kaiser, Sigggi Held

Diogenes in Freiburg 

Politische Hintergründe der Häuserkämpfe in den 70ern und 80ern

Freiburg 2016 – Dokumentarfilm

Regie & Realisation: Siggi Held & Bodo Kaiser

Laufzeit: 75 Minuten

Premieren: 25. Juli 2016, 19.30 Uhr und 26. Juli 2016, 21.30 Uhr, Kommunales Kino