Ergreifende Überlebensgeschichten: Flucht als Thema des Weltkinos STADTGEPLAUDER | 10.02.2017

Die 67. Berlinale ist eröffnet. Knapp 400 Filme sind zehn lange Tage lang dort zu sehen; davon gehen 18 ins Rennen um den Goldenen Bären, dessen Gewinner (und die der Silbernen und anderen Trophäen) am 19. Februar verkündet wird. Unter den Filmen des Wettbewerbs ist auch der Eröffnungsfilm dieser renommierten Internationalen Filmfestspiele: Etienne Comars „Django“, den der Weltkino-Verleih im Juli in die deutschen Kinos bringt.

Comar zeichnet darin ein düsteres Kapitel im Leben des legendären französischen Jazzmusikers – Django Reinhardt: Der in Belgien als Jean Reinhardt geborene und in einer Wohnwagensiedlung am Stadtrand von Paris aufgewachsene Begründer des Gypsy Swing feiert in Paris große Erfolge. Doch als deutsche Truppen die französische Hauptstadt besetzen, gerät er in Gefahr: Als Angehöriger der Manouches, der französischsprachigen Sinti, droht ihm, wie vielen seiner Angehörigen, die Verfolgung durch die Nazis – und möglicherweise die Deportation in ein Vernichtungslager. Im Jahr 1943 unternimmt er einen Fluchtversuch in die Schweiz. Doch der scheitert: Er wird an der Grenze zurückgewiesen. Wie so viele andere auch.

Diese nach den Worten von Berlinale-Direktor Dieter Kosslick „ergreifende Überlebensgeschichte“, ist gleichnishaft für die Themen, die das Weltkino nach seiner Auffassung derzeit am meisten umtreiben: Flucht und Migration. Wobei es nach seiner Auffassung nicht mehr allein um Betroffenheit geht, sondern um Ursachen und Zusammenhänge. Um filmische Reisen in die Vergangenheit – mit Blick auf Geschichte und Fluchtursachen.

Einen solchen Blick hatten auch fünf Freiburger Studentinnen, die 2016 mit dem in Waldkirch ansässigen Jugend- und Medienbildungs-Verein „Black Dog“ einen Film mit geflüchteten Frauen drehten, die im Raum Freiburg wohnen. „Wir sind jetzt hier“ heißt der Film, und die Protagonistinnen schauen darin auf die Ereignisse in ihren Ländern zurück, die ihr persönliches Leben so schmerzhaft veränderten. Vor wenigen Tagen hatte der Film im Kommunalen Kino Freiburger Premiere – und wurde wegen des großen Publikumsandrangs gleich zweimal hintereinander gezeigt.

Es ist ein sehr bewegender Film, in dem außer drei vor wenigen Jahren hierher geflüchteten Frauen aus Syrien auch zwei Mädchen aus Afghanistan zu Wort kommen – und eine inzwischen schon Einheimische: Verónica Köhler, die vor 42 Jahren aus Chile nach Freiburg kam, um mit ihrer Familie der Verfolgung durch die Militärdiktatur von Pinochet zu entgehen. Sie hat damals ähnliche Erfahrungen gemacht wie Anaam Agag, Entessar Alakkad oder Zuhal Hamidi und Saghar Jafari, die anderen Protagonistinnen des Films: Die Ungewissheit des Fluchtausgangs, die schmerzhafte Trennung von Angehörigen und Freunden, die (nicht nur sprachlichen) Hürden des Neubeginns, die Hilfsbereitschaft der Menschen vor Ort, die Hoffnung auf eine Rückkehr, das langsam keimende Heimatgefühl: „Dort, wo wir in Frieden und Sicherheit leben können“, wie alle auf die entsprechende Frage antworten.

Dieser Film ist indessen nicht das erste Flüchtlingsprojekt von „Black Dog“: 2015 entstand „Die Karawane der Hoffnung“, ein filmisches Potpourri aus Dokumentarszenen, Interviews und kleinen Spielfilmsequenzen über Heimat, Flucht und Hoffnungen. Dabei ging es nicht um Frauen und Mädchen, sondern um eine andere Gruppe, die es auch nicht gerade leicht hat, hier anzukommen: Etwa 30 junge, teilweise noch minderjährige alleinreisende Flüchtlinge waren anderthalb Jahre lang daran beteiligt. Mit professioneller Unterstützung von Jürgen Dettling und seinen Kollegen von „Black Dog“ haben sie ihren Film selbst erarbeitet, haben an ihrer eigenen Lebenswelt orientierte Szenarien einstudiert, die passenden Orte für die Drehs ausgesucht, und selbst gefilmt – ganz im Sinne der Zielsetzung des Vereins.

Infos zu beiden Filmen: www.black-dog-ev.de

Text: Erika Weisser / Fotos: © Black Dog e.V., Weltkino Filmverleih