Französische Journalisten warnen: Fessenheim ist das neue Fukushima STADTGEPLAUDER | 07.03.2018 | Clémence Carayol

„Atomenergie – unmittelbare Gefahr. Und es wird in Ihrer Nähe passieren“. So heißt ein Aufsehen erregendes Buch aus Frankreich, das auch Freiburger interessieren dürfte. Zwei erfahrene französische Reporter lassen darin kein gutes Haar an den französischen Atomkraftwerken. Auch Fessenheim kommt nicht gut weg. Für sie ist es das neue Fukushima.  

  Liebe macht blind. Der Ausdruck passt für zwei französische Journalisten zu Frankreich und seinen Atomkraftwerken wie die Faust aufs Auge. „Nucléaire: Danger immédiat“, heißt ihr kürzlich veröffentlichtes Buch, das in Frankreich die Gemüter erhitzt. Zwei von drei Franzosen leben maximal 75 Kilometer von einem AKW entfernt, sagen sie. Die Freiburger sind näher dran: Nur rund 30 Kilometer sind es von hier bis zum ältesten Meiler Frankreichs, dem AKW Fessenheim.  

Die Gefahr eines Gaus sei nie so hoch gewesen wie heute, schreiben die Autoren. Mit ihrem Buch wollen sie aufräumen mit den „Lügen und Verschleierungen“, die es rund um die 58 französischen Reaktoren des Landes gibt. Mit dem zuständigen Betreiber EDF (Eléctricité de France) gehen sie hart ins Gericht: Es sei für eine Regierung oder eine Institution wie EDF einfach, das Publikum mit unverständlichen Daten und Zahlen zu ertränken, sagen die beiden. Und das sei jahrzehntelang gemacht worden.  

Auch auf Südbaden trifft der Untertitel zu: „Es wird in ihrer Nähe passieren“. Das AKW Fessenheim ist eine tickende Zeitbombe, sagen Kritiker. Es hat in diesem Jahr die Altersgrenze von 40 Jahren überschritten. Die zwei Journalisten betonen den Ernst der Lage. Bleibt Fessenheim weiter am Netz, betrete man „unbekanntes Terrain“. Niemand könne vorhersagen, was geschehen wird.

Ein Unfall in Fessenheim wäre „ein reiner Albtraum“. Die Anlage sei auf dem größten Grundwasserspiegel in Europa gebaut, der sechs Millionen Menschen Wasser liefert. Eine Betonplatte, deren Dicke viel geringer sei in die anderer Kernkraftwerke könne die Verunreinigung des Wassers in keiner Weise verhindern. Das Grundwasser würde für „einige Jahrtausende“ radioaktiv.  

  Fessenheim wurde zudem in einer seismischen Zone gebaut. Erdbebengefahr. Dieses Risiko wurde beim Bau nicht berücksichtigt, warnen die Autoren. Die Anlage sei zudem sechs Meter unterhalb des Wasserspiegels am Rheinseitenkanal gebaut. So sei auch die Gefahr einer Überschwemmung bei Hochwasser real.

Der Gipfel sei, dass die Schutzhülle von Reaktor 1 in Fessenheim „eine der gefährlichsten Frankreichs“ ist. Der Stahl habe Risse und sei zerbrechlich. Der Reaktor zwei ist seit rund zwei Jahren nicht in Betrieb. Der Grund: Sicherheitsprobleme.  

Die Sicherheitsbehälter seien zudem zu klein, heißt es im Buch. Sie genügen also „nicht den Standards von EDF“. Bei einem Unfall „könnten sie dem inneren Druck nicht widerstehen und würden wie bei Fukushima explodieren“.

  „Ein schwerer Unfall ist nicht mehr möglich, sondern wahrscheinlich“, schreiben Thierry Gadault und Hugues Demeude. Russisch Roulette nennen sie das Ganze. Frankreich gefährde so nicht nur sich selbst, sondern auch seine Nachbarn. EDF hat als Antwort eine Stellungnahme abgegeben: „Nukleare Sicherheit hat die oberste Priorität“, heißt es darin. Sie weist alle Kritik von sich und droht mit rechtlichen Schritten gegen die Autoren.  

Das Kernkraftwerk Fessenheim ist seit März 1977 in Betrieb. Es sollte eigentlich längst geschlossen sein. Der ehemalige französische Staatspräsident François Hollande hatte 2012 versprochen, den Meiler bis 2016 dichtzumachen. Doch er ist weiterhin in Betrieb. Und könnte es noch eine Weile bleiben. Auch wenn ein Ende für 2018 oder 2019 in Aussicht gestellt wurde.  

Foto: Till Neumann