Freiburger Ossi W. Pink hat mehr als 1000 Strophen des Badnerlieds gesammelt STADTGEPLAUDER | 10.07.2016

Die erste Strophe geht den meisten Badnern noch flüssig über die Lippen, bei der zweiten werden die Stimmen schon leiser und bei der dritten fängt das Grübeln an: Wo war die Fabrik nochmal? Und wo die Festung? Wer sich damit brüsten will, das komplette Badnerlied auswendig zu kennen, sollte sich das noch einmal überlegen: Der Freiburger Ossi W. Pink hat in den vergangenen 22 Jahren 1149 Strophen der Heimathymne gesammelt.

Nai hämmer gsait: Bei den AKW-Protesten in Wyhl hat Ossi W. Pinks Leidenschaft für das Badnerlied seinen Anfang genommen.

Wer alle am Stück singen will, muss sich sechseinhalb Stunden Zeit nehmen – den Refrain und die eine oder andere Atempause nicht eingerechnet. Pink ist sich sicher, damit das längste Volkslied der Welt gesammelt zu haben, doch das Guinnessbuch der Rekorde hat ihm jetzt eine Absage erteilt.

„Wie schön ist’s noch im Badnerland
Am Kaiserstuhl wächst Wein.
Dies KKW in Wyhl – oh Schand,
Wir Badner sagen NEIN!“

Mit dieser Strophe hat alles angefangen: 1975 protestiert Pink gegen das geplante Kernkraftwerk in Wyhl und singt begeistert das umgedichtete Badnerlied mit. „Seitdem fasziniert mich, wie das Lied in der Bevölkerung weiterlebt und genutzt wird, um Protest auszudrücken und tagesaktuelle politische Dinge zu thematisieren“, erzählt der 68-Jährige. Er fängt selber an, Strophen zu dichten, doch erst im Jahr 1994 kommt ihm beim Singen im SC-Stadion die Idee, daraus eine Sammlung zu machen.

Mittlerweile schreibt der Immobilienmakler nur noch selten selber –
die meisten Strophen bekommt er geschickt. Dem SC hat er in seiner Sammlung ein ganzes Kapitel gewidmet. Neben Lobgesängen wie „Der beste Club in Badens Gau’n, nur Sportclub Freiburg heißt …“ ist auch Kritik zu finden:

„Das Stadion ist viel zu klein,
die Not, die ist sehr groß,
die Fans, die passen längst nicht rein,
hier ist der Teufel wirklich los.“

Die Regionalpolitik spielt immer wieder eine Rolle – von der Abschaltung Fessenheims über die Rheintalbahn bis hin zu Stuttgart 21. Oftmals auch in deftigen Worten:

„In Stuttgart gräbt man jetzt ein Loch,
das wird ganz riesig sein,
und groß genug, wir hoffen’s doch,
dass alle Schwaben passen rein.“

Nicht jedem passen die kritischen Strophen – vor einigen Jahren hat eine von ihnen Pink sogar vors Landgericht gebracht. Ein Winzer hatte geklagt, weil er in einer der Strophen beschuldigt wurde, das Frostschutzmittel Glykol in seinen Wein zu mischen. Der Richter habe die „badische Lösung“ vorgeschlagen, erinnert sich Pink schmunzelnd: Er und die Verfasser der Strophe sollten je zwei Kisten Wein bei dem Winzer kaufen. Als der empört ablehnte, wurde die Klage abgewiesen.

Auch von einigen „hartgesottenen Schwaben“ gebe es immer mal wieder Beschwerden – bekommen sie doch bei einigen Texten ordentlich ihr Fett weg:

„Ein Badner möcht ich auch gern sein,
denkt sich so mancher Schwob‘
und weint dann still in sich hinein;
er wird es nie – gottlob!“

Böse gemeint ist das laut Pink nicht: „Kleine Frotzeleien gehören dazu, das darf man nicht ernst nehmen.“ Und schließlich dürfen sich die Schwaben revanchieren: 27 schwäbische Strophen umfasst die Sammlung – und die sind nicht weniger deftig:

„Denn was hat ein Badenser denn
gewöhnlich in der Birn’?
Meist nur in einem hohlen Raum
ein’ Zettel, und auf dem steht: Hirn.“

Anfang des Jahres hat Pink die 1000er-Marke geknackt und das Badnerlied als „Volkslied mit den weltweit meisten Strophen“ beim Guinnessbuch der Rekorde angemeldet. Ende Mai kam die Absage: Das Buch, das Rekorde wie „Größte Zahl an Löffeln, die auf dem Gesicht balanciert werden“ aufnimmt, habe hierfür keine Kategorie. Pink nimmt’s gelassen, er bleibt Fan des Badnerlieds – das sogar sein Handyklingelton ist – und freut sich, dass auch seine Sammlung immer mehr Fans gewinnt, die ihm Strophen wie diese schicken:

„Der Ossi Pink hat einen Tick.
In seinen Bann uns zieht.
Er sammelt unser Lied um Lied,
ganz Baden find’ das schick.
Drum grüß ich Dich, oh Ossi Pink,
du irrer Typ im Badnerland.
Frisch auf frisch auf …“

Text & Fotos: © Tanja Bruckert

Info:
2012 wurde im Wehrgeschichtlichen Museum in Rastatt der erste schriftliche Nachweis des Badnerlieds gefunden. In einer Liedersammlung von 1896 tauchte die damals drei Strophen lange Regionalhymne erstmals auf. Einige Experten vermuten, dass das Badnerlied gar nicht so urbadisch ist, sondern aus dem Sachsenlied umgedichtet wurde. Während das jedoch weitgehend in Vergessenheit geraten ist, ist das Badnerlied auch heute noch bei zahlreichen Anlässen präsent – von der Sportveranstaltung bis zum Weinfest.