Freiburger Stadtbauchef, Ralf Klausmann, über soziale Aufträge STADTGEPLAUDER | 11.10.2016

Die Freiburger Stadtbau GmbH (FSB) hat im vergangenen Jahr 9,2 Millionen Euro Gewinn gemacht. Das brachte sofort die Linke Liste und auch die SPD im Freiburger Gemeinderat in Wallung. Die FSB solle keine Millionengewinne machen, sondern ihrem sozialen Auftrag nachkommen. Für FSB-Chef Ralf Klausmann eine gewohnte Debatte. Er sprach mit chilli-Chefredakteur Lars Bargmann über die Notwendigkeit von Gewinnen und den sozialen Mietwohnungsbau.

chilli: Herr Klausmann, die Stadtbau steht wirtschaftlich robust da, baut viel und bekommt trotzdem immer wieder Kritik, weil sie lieber Millionengewinne mit Bauträgergeschäften als noch mehr für Einkommensschwache mache. Wie bewerten Sie das?
Klausmann: Wer behauptet, dass wir zu wenig bauen, kann sich die nackten Zahlen anschauen. Wir haben 2014 und 2015 im Schnitt 273 Wohnungen pro Jahr gebaut, also deutlich mehr als die 150, die vom Gemeinderat mit dem Handlungsprogramm Wohnen beschlossen wa-ren. In unserem Programm stehen von 2015 bis 2020 jetzt etwa 1800 neue Wohnungen.

FSB-Chef Ralf Klausmann

FSB-Chef Ralf Klausmann

chilli: Viele im Gemeinderat würden es schätzen, wenn es 1800 Sozialwohnungen wären. Doch der Bau solcher, so sagen Sie, sei defizitär. Die jetzt verbesserte Förderung des Landes ist nicht ausreichend?
Klausmann: Nein, sie war es nicht und ist es nicht. Deswegen bauen ja fast nur kommunale Wohnungsbaugesellschaften solche Häuser. Das Land setzt eine Grenze von 3000 Euro für einen Neubauquadratmeter inklusive Grundstücksanteil. Dann werden 80 Prozent, also 2400 Euro, mit null Prozent Zins gefördert. Wir bauen den Quadratmeter aktuell für 2800 Euro und rechnen Grundstückskosten von im Schnitt 700 Euro. Wir haben also insgesamt 1100 Euro, die nicht gefördert werden. Die müssen wir investieren, um sozialen Wohnungsbau machen zu können. Das sind 31 Prozent der Gesamtkosten. Die muss ich als Eigenkapital nachweisen. Wenn wir 300 Wohnungen im Jahr bauen, dann binde ich hier zehn bis zwölf Millionen Euro. Das ist wahnsinnig viel. Und genau deswegen brauchen wir die Gewinne, sonst könnten wir einfach keinen sozialen Mietwohnungsbau machen.

chilli: Gibt es Bundesländer, die mehr für den geförderten Wohnungsbau hinlegen?
Klausmann: Ja. Hier ist sicher Nordrhein-Westfalen zu nennen, oder auch Bayern.

chilli: Wie müsste ein wirksameres Förderprogramm in Baden-Württemberg gestrickt sein, damit die FSB, aber auch andere aus der Branche mehr solcher Wohnungen bauen könnten?
Klausmann: Das würde nur in Form eines Zuschusses gelingen. Null Prozent Zinsen hört sich ja toll an, aber die Zinsen auf dem freien Markt liegen im Zehnjahresbereich derzeit bei 0,8 Prozent. Wenn also ein Privater frei finanziert baut, verzichtet er zwar auf die null Prozent, kann aber mindestens die Mietspiegelmiete fordern. Wir müssen 33 Prozent drunter bleiben. Man braucht man kein Mathematiker sein, um zu sehen, dass der freie Markt wirtschaftlich die viel besseren Rahmenbedingungen hat. Um heute den frei finanzierten mit dem geförderten Wohnungsbau gleichzustellen, müsste das Land bei einer Dreizimmer-Wohnung etwa 40.000 Euro zuschießen.

chilli: Wenn sich das Zinsumfeld ändert …
Klausmann: … wenn im Zehnjahresbereich fünf Prozent Zinsen gezahlt werden müssten, und die L-Bank die null Prozent hält, dann wären die Konkurrenten gleichwertiger als heute. Dann muss ich die fünf Prozent in Relation zu den 3 Euro weniger Miete setzen. Heute muss ich die 0,8 Prozent nehmen. Das rechnet sich für den, der sozial baut, einfach nicht.

chilli: Angenommen, die FSB dürfte aus politischen Gründen ausschließlich nur sozialen Mietwohnungsbau machen. Wie lange würde es dauern, um eine kerngesunde Gesellschaft zu zerstören?
Klausmann: (lacht) Bei der Stückzahl von 300 Einheiten im Jahr, würde uns das in kürzester Zeit ins Defizit treiben. Nach zwei bis drei Jahren wären wir im Hinblick auf unser Neubau- und Modernisierungsprogramm handlungsunfähig.

chilli: Deswegen das Bauträgergeschäft.
Klausmann: Nicht nur, wir erlösen auch Überschüsse aus dem Betrieb von Solaranlagen, aus Leistungen für Dritte, etwa die WEG-Verwaltung.

chilli: Gut, aber das Bauträgergeschäft spielt da die Hauptrolle. Wie viel Prozent des Neubaus werden im Schnitt für Eigentümer gebaut?
Klausmann: Wir brauchen etwa 30 Prozent, um sozialen Wohnungsbau machen zu können. Von den 1800 Wohnungen bis 2020 werden wir also rund 550 als Bauträger bauen.

Lang, aber nicht langweilig: Ein Bauvorhaben auf den Gutleutsmatten.

Lang, aber nicht langweilig: Ein Bauvorhaben auf den Gutleutsmatten.

chilli: Die 2800 Euro nackten Baukosten haben viele überrascht …
Klausmann: So sieht die Realität aus. Wir bauen Tiefgaragen, die kosten auf den Quadratmeter umgerechnet 350 bis 400 Euro, wir bauen Passivhäuser, die mit Wärmerückgewinnung und kontrollierter Be- und Entlüftung auch pro Quadratmeter 150 Euro kosten. Dann habe ich noch 2300 Euro für alle anderen Gewerke, den Architekten und die Bauleitung. Die 2800 sind eine harte Zahl.

chilli: Die Stuckert Wohnbau AG hat gerade in Emmendingen ein Projekt in der Vermarktung, da kostet der Qua-
dratmeter 2800 Euro im Verkauf …
Klausmann: Solche Preise kenne ich auch von Bad Krozingen, wir schaffen das nicht. Vielleicht will Stuckert für uns mal als Generalunternehmer mit den Freiburger Gegebenheiten bauen?

chilli: Was hat die FSB neben dem Sternenhof und den Luxus-Reihenhäusern in Günterstal aktuell für Kaufwillige im Angebot? Und was kostet’s?
Klausmann: Wir bauen im Sternenhof im letzten Bauabschnitt 61 Wohnungen, 56 davon mit studentischer Bindung. Der Quadratmeter kostet hier im Schnitt 4560 Euro. Der In Günterstal haben wir 9 von 15 Häusern verkauft und zwei vermietet. Die kosten knapp 800.000 Euro. Auf den Gutleutmatten bauen wir 190 Wohnungen, 60 davon fürs Eigentum. Hier liegt der Preis voraussichtlich bei 4800 Euro.

chilli: Auf dem Güterbahnhof wird gerade der zweite Teilbebauungsplan geändert, um mehr Wohnungsbau zu ermöglichen. Nach unseren Informationen wird die Stadt dabei drei, vier Grundstücke für sich reklamieren. Damit Sie die dann bebauen können?
Klausmann: Wir bauen ja aktuell in einer Kooperation mit aurelis (die Eigentümerin der Fläche, d. Red.) und der Stadt 40 geförderte Wohnungen und könnten uns vorstellen, auf den kommenden Grundstücken das auch zu machen. Die sind in den 300 geplanten übrigens noch gar nicht drin.

chilli: Herr Klausmann, vielen Dank für dieses Gespräch.

Fotos: © Freiburger Stadtbau, Thomas Kunz