Freiburger übersetzt Comic zu Anschlag auf Charlie Hebdo STADTGEPLAUDER | 01.11.2016

Der Tag ist vielen Menschen in entsetzlicher Erinnerung geblieben: Am 7. Januar 2015 stürmten zwei wildgewordene Religionsfanatiker die Redaktion des Pariser Satiremagazins Charlie Hebdo und erschossen elf Menschen. Draußen stand Catherine Meurisse. Sie hatte sich auf dem Weg zur Redaktionskonferenz verspätet. Und entkam dem Massaker. Schwer chaotisiert.

In ihrem in Frankreich bereits erschienenen Comic „La Légèreté“ (Die Leichtigkeit) zeichnet und schreibt Meurisse sich diese unfassbare, traumatische Erfahrung von der Seele, zeigt in bedrückenden Bildern und Texten ihre anfangs vergeblichen Bemühungen, zurückzufinden zu der Leichtigkeit, die ihr mit dem Mord an ihren Kollegen genommen wurde.

Der Freiburger Comic-Spezialist Ulrich Pröfrock ist derzeit dabei, das Buch ins Deutsche zu übertragen, Ende Dezember soll es erscheinen. Der 61-jährige Buchhändler handelt nämlich nicht nur mit Graphic Novels, er übersetzt sie auch, seit etwa 30 Jahren und in großer Zahl: Bei den jährlichen Herbst-Ausstellungen der Stadtbibliothek zum Thema „In Freiburg übersetzt“ ist immer ein gutes Dutzend Bücher zu finden, das durch seine Hand ging. „Vorwiegend abends und nachts“ hat er „immer fünf, sechs Titel gleichzeitig in Arbeit“, hat dabei viel Routine gewonnen. Und den renommierten Christoph-Martin-Wieland-Übersetzerpreis, der 2015 zum ersten Mal für das Comic-Genre vergeben wurde.

Literatur

Ulrich Pröfrock im Comicstyle: Kaum ein Werk ist ihm so nahe gegangen wie „La Légèreté“.

Wie bei jeder literarischen Übertragung, erzählt Pröfrock, gehe es auch bei einer Comic-Übersetzung neben Originaltreue um sorgfältige Quellenrecherche und um die Bereitschaft, Werk und Autor an sich herankommen zu lassen. Selten jedoch sei ihm ein Werk persönlich so nahe gekommen wie „La Légèreté“. Er kannte, wenn auch flüchtig, zwei Mitarbeiter des Magazins, mit dem er „praktisch groß geworden“ ist: Pröfrock lebte von 1965 bis 1974 in Paris und suchte, nachdem ihm freundliche Nachbarn gleich nach der Ankunft zur Unterstützung des Spracherwerbs ein Comic-Jahresabo geschenkt hatten, „systematisch nach allem, was mit Comic zu tun hatte“. Und stieß irgendwann auf das 1970 gegründete Magazin.

Während der Übersetzung von Meurisses Buch sei die Trauer zurückgekehrt, die er nach dem Anschlag empfunden hatte. Und auch die Betroffenheit, die das Massaker im Bataclan im November des vergangenen Jahres in ihm ausgelöst hatte. Dieser Ort „war jahrelang mein zweites Wohnzimmer, war für mein Aufwachsen ganz wesentlich“. Deshalb wird ihm diese Übersetzung in besonderer Erinnerung bleiben – nicht nur wegen der vielen Stellen, an denen er „wirklich hirnen“ musste.

Text: Erika Weisser / Illustration: © Reinhard Kleist