Freiburger Verein "Schwere(s)Los!" ist einer der Preisträger des Berndt-Koberstein-Preis 2017 STADTGEPLAUDER | 13.05.2017

Vor fünf Jahren stiftete der ehemalige Stadtrat Hendrijk Guzzoni zur Erinnerung an seinen 1986 während des Aufbaus einer Wasserleitung für Freiburgs nicaraguanische Partnerstadt Wiwilí ermordeten Freund den Berndt-Koberstein-Preis für Zusammenleben und Solidarität. Er wird jährlich vergeben und ist mit 10.000 Euro dotiert. Einer der Preisträger 2017 ist der Verein „Schwere(s)Los!“, den es seit 2011 gibt. Die Gründerin und 1. Vorsitzende Maren Moormann freut sich sehr darüber.

„Wenn wir bei dem jedes Jahr im November im Münster zelebrierten Gottesdienst für verstorbene wohnungslose Menschen unsere Lieder singen, fragen die Leute von der Pflasterstub’ immer, was sie in die Ankündigung schreiben sollen; ob wir jetzt als BettlerChor, als LebensKünstler, als Schwere(s)Los! oder als KunstHartz auftreten. Wir sind ein wenig von allem: Schwere(s)Los! heißt der Verein, der aus der 2007 gegründeten Gruppe KunstHartz hervorgegangen ist und Projekte wie den BettlerChor oder „LebensKünstler – Kultur für alle“ betreut. Und manche machen halt bei mehreren Projekten mit – mit großem Spaß übrigens.

Wir singen miteinander, machen Musik, spielen Theater, haben Angebote für kreatives Schreiben, Malen, Tonen, Weidenflechten, Puppenbau und Puppenspiel. Angebote der kulturellen Teilhabe für Menschen, die sonst keine oder nur geringe Möglichkeiten hätten, ins Theater, ins Konzert oder in eine Ausstellung zu gehen. Geschweige denn, selbst zu Kulturschaffenden zu werden. Wegen Geldmangels oder wegen der Tatsache, dass sie zu den Randständigen der Gesellschaft gehören.

Außer Menschen, die auf der Straße leben oder lebten, erreichen wir mit unseren LebensKünstler-Angeboten derzeit auch ungefähr 380 Personen, die nach teilweise heftigen Psychiatrie-Erfahrungen regelmäßige Besucher von Tagesstätten sind, in betreuten Wohngemeinschaften leben oder in Caritas-Werkstätten arbeiten. In vielen von ihnen steckt ein hohes kreatives Potenzial, das unter ihren Lebensbedingungen jedoch verkümmert ist. Wir begegnen ihnen auf Augenhöhe, sei es in ihren Einrichtungen oder in unseren neuen Räumen am Kleineschholzweg, für deren Ausstattung wir das Preisgeld gut gebrauchen können.

Musikalisch: Gründerin und 1. Vorsitzende Maren Moormann.

Dort wollen wir außer Probe- und Malräumen auch einen Ort der Begegnung schaffen. Mit Menschen aus der so genannten gesellschaftlichen Mitte. Denn jemand, der es nicht selbst erlebt hat, kann sich gar nicht vorstellen, wie es ist, wenn man sich nicht einmal Buntstifte oder Pinsel oder gescheites Papier kaufen kann. So wie ich, bevor ich vor zehn Jahren von Hartz 4 leben musste. Ich habe damals nach anderen Künstlern in einer vergleichbaren Situation gesucht – und wurde fündig. Wir bildeten eine Art Selbsthilfegruppe: Künstler in Hartz 4. Daraus wurde KunstHartz; es kann als Grundstein für unser heutiges Engagement angesehen werden. Dieses Engagement geht längst über das künstlerische und kulturelle Wirken hinaus: Wir mischten und mischen uns auch bei sozialpolitischen Angelegenheiten ein, haben uns etwa an der Kampagne zur Einführung des Sozialtickets in Freiburg beteiligt.

Seit ein paar Jahren haben wir auch eine Theatergruppe, die sich aus Menschen zusammensetzt, die im Raum Freiburg, Mulhouse und Basel in prekären Verhältnissen leben. „Salto Trinational“ heißt diese mindestens zweisprachige Gruppe, die selbst Stücke erarbeitet und bei verschiedenen Anlässen aufführt. Relativ neu ist unser inklusives Performance-Projekt „Strange – das andere Freiburg“, in dem mein Kollege Michael Labres junge Leute aus unterschiedlichen sozialen Milieus zusammenbringt und ihnen eine kreative Alternative zum Schulalltag und zum Internet-Moloch präsentiert. Diese Gruppe hat jetzt ein Stück kreiert: „Feindbild“ heißt es und wird am Sonntag, 21. Mai auf dem Augustinerplatz uraufgeführt. Auch der BettlerChor tritt bald wieder auf: Am Sonntag, 2. Juli, bei „Freiburg stimmt ein“.“

Aufgezeichnet von Erika Weisser / Fotos: © Erika Weisser

Infos: www.schwere-s-los.de