Freiburgs Umland zeigt: Aufm Dorf wird Kultur großgeschrieben STADTGEPLAUDER | 20.07.2017

Boogie im Dorfgasthaus, Kabarett in der Scheune und Open-Air-Konzerte, in deren Pause das Zirpen der Grillen zu hören ist: Wer meint, Kultur gibt’s nur in der Großstadt Freiburg, der irrt. Das Umland zeigt, dass hier mitnichten abends die Bürgersteige hochgeklappt werden: Wer regionale Künstler wie Unduzo oder internationale Größen wie Kim Carson erleben will, ist in den kleinen Gemeinden goldrichtig. Deren Veranstaltungshäuser müssen nicht neh­men, was ihnen die Stadt übrig lässt, sondern können sich vor Künstleranfragen teilweise kaum retten.

BürgerScheune. Das hört sich schon nach Land an. Und tatsächlich steigen die monatlichen Veranstaltungen in Gottenheim in einer alten Scheune im Rathaushof. 2006 hatte eine Gruppe von elf Dorfbewohnern den Blaumann angezogen, die Scheune entrümpelt, Löcher im Mauerwerk gestopft und Dachbalken gestrichen. Seitdem steigen hier Konzerte, Kabarett- und Comedy­abende. Anfangs war das Interesse verhalten: „Bei manch einer Veranstaltung saßen zwölf Leute im Publikum“, erzählt Bürger­Scheunen-­Sprecher Herbert Koldewey. Doch bald hatten die Veranstalter raus, mit was sich das Publikum anziehen lässt: Kabarett – ja. Klassik – nein. Mittlerweile sei die Scheune ein Selbstläufer, die 85 Plätze fast immer ausverkauft. Statt der anfänglichen vier Veranstaltungen im Jahr, steigt nun jeden Monat ein Event.

Auch vonseiten der Künstler ist die Nachfrage groß. „Wir bekommen fast täglich Anfragen“, sagt Koldewey. Und das, obwohl die Gagen nicht üppig sind: 80 Prozent der Eintrittsgelder gehen an den Künst­ler, von den restlichen Einnahmen begleicht die Gruppe Kosten wie Gema-­Gebühren. Rund 1000 Euro bleiben so an einem Abend für den Künstler hängen. „Manchen ist das zu wenig“, sagt der 62-Jäh­rige im Hinblick auf die Hochkaräter der Szene, „andere nutzen die Chance, hier ein neues Programm zu proben, bevor sie dann vor großem Haus spielen.“

Doch auch die gibt es auf dem Land. Mitten im Markgräflerland liegt die 2400-Seelen-Gemeinde Eschbach. Daneben: der Weinstetter Hof. In dessen Innenhof lauschen im Sommer regelmäßig bis zu 350 Besucher den Bands oder Kabarettisten. „Wir legen Wert auf eine bunte Mischung“, sagt Organisator Wolfgang Friedrich. So ist der Hof mit einer Beatles-Nacht der „No Plastic Band“ in den Sommer gestartet, gefolgt von einer Heinz-Erhardt-Show mit Frank Sauer, Volkmar Staub und Günter Fortmeier, einem A-Cappella-Konzert von Füenf sowie einem Countryabend mit Kim Carson, die auf ihrer Europatournee auch nach Eschbach gefunden hat.

Internationale Größen wie die amerikanische Sängerin sind allerdings die Ausnahme. „Wir wollen vor allem Künstler aus der Region unterstützen“, so Friedrich. Jede Saison würden bei ihm um die 250 Anfragen auflaufen – mittlerweile aus ganz Europa. Sogar das Publikum sei international. „Wir haben viele Besucher aus Frankreich und der Schweiz“, erzählt der 68-Jährige. „Da profitieren wir von der Lage an der Autobahn.“

Auch Konzertagenturen wie KAROevents kennen den Reiz des Umlands. „Die Leute sind froh, wenn sie nicht in die Stadt reinfahren und einen Parkplatz suchen müssen“, nennt Geschäftsführer Christoph Römmler einen der Vorteile. Unter den Titeln „Bühne 79211“, „Bühne 79379“ und „Bühne 79650“ organisiert seine Agentur Veranstaltungsreihen in Denzlingen, Müllheim und Schopf­heim. „Das Konzept ist bei allen drei das Gleiche: namhafte Künstler gewinnen, die sonst nicht auf dem Land spielen würden.“ Romantische Gefühle für das Landleben spielten dabei keine Rolle, weiß Römmler: Die Künstler gingen dorthin, wo sie ihr Management hinschickt. Und das interessiere vor allem, ob hinter der Veranstaltung eine professionelle Agentur steckt.

Bei manch einem brauche es dennoch viel Überzeugungsarbeit. So musste Willy Astor, „ein typischer Freiburg-­Künstler“, erst überredet werden. Es ist gelungen: Am 22. November tritt der Verb-Brecher und Silbenfischer auf der „Bühne 79211“ im Denzlinger Kultur- und Bürgerhaus auf. Geholfen hat sicherlich auch, dass die Veranstaltungen in Denzlingen „erfreulich oft“ ausverkauft sind. Denn nicht nur die Denzlinger finden in ihr Bürgerhaus am See, auch die Freiburger schwingen sich für solch eine Veranstaltung gerne ins Auto – und freuen sich, dass die Parkplatzsuche ausfällt.

Info: Auf dem Land braucht es „Mainstream-­Künstler“: Ein Till Brönner würde auf der Bühne 79211 (unten) nicht ankommen, ist sich Booker Römmler sicher. In der BürgerScheune begeistern stattdessen witzige Gruppen wie die „Ohrwürmer“ (oben). Auch auf dem Weinstetter Hof setzt man auf „leichte“ ­Formate wie Comedy oder Popkonzerte.

Da Geht was! Kultur in der Region: eine kleine Auswahl

Bürgerscheune in Gottenheim
20. Juli: Frauengold mit „War Beethoven eine Frau?“
17. August: Rosetta Pedone mit „Lügensau“

Weinstetter Hof in Eschbach
28. Juli: Bernd Kohlhepp – Elvis reloaded
29. Juli: Unduzo mit „Schweigen Silber, Reden Gold“
4. August: Redhouse Hot Six – Old Time Jazz der 20er & 30er Jahre

Bolandos Sommerbühne in Bollschweil
3. August: Moondogs – Musik der Beatles
24. August: The Cherrychords – eigene Songs und Musik von Fleetwood Mac, Tom Petty und Bob Dylan

Bühne 79211 im Kultur- & Bürgerhaus Denzlingen
1. Oktober: Götz Alsmann & Band
10. November: Blechschaden
10. Dezember: Cavewoman

Weingut Schwarzer Adler in Oberbergen
23. Juli: Strawinskys „L’Histoire du Soldat“ mit dem Schauspieler Rainer Strecker und Musikern des SWR-Symphonieorchesters

FORUM Merzhausen
12. August: Johanna Wokalek & Caribe Nostrum Quintett mit „Kuba. Eine musikalisch-literarische Spurensuche“
23. September: Adam Baldych & Helge Lien Trio

Text: Tanja Bruckert / Fotos: © BürgerScheune, Weinstetter Hof