Jobsharing auf Höhenflug: Pfizer punktet mit flexiblen Arbeitszeiten, IHK kritisiert GroKo KARRIERE & CAMPUS | 25.03.2018 | Tanja Senn

Flexible Arbeitszeiten sind die Zukunft. Das zeigt nicht nur der aktuelle Tarifabschluss der IG Metall, der eine 28-Stunden-Woche auf Zeit durchgesetzt hat. Umfragen zufolge wünscht sich die Mehrzahl der Arbeitnehmer flexible Modelle wie Jobsharing, Vertrauensarbeitszeit oder Arbeitszeitkonten.

Auch in Berlin reagiert man auf diesen Wunsch: So will die neue Koalition eine „Öffnung für mehr selbstbestimmte Arbeitszeit“. Auch in Südbaden sind die flexiblen Modelle angekommen. Doch nicht überall gibt es dafür Applaus.

Gerade trudelt die letzte Zusage ein. Dem Meeting am Donnerstag mit den Freiburger Führungskräften des Pharmariesen Pfizer steht nichts mehr im Weg. Michaela Kunkler ist zufrieden. Dass sie selbst nicht dabei sein wird, macht ihr nichts aus. Sie ist sich sicher: Ihre Kollegin Ann-Kathrin Gibson wird alle Entscheidungen in ihrem Sinn treffen.

Während Gibson im Meeting sitzt, macht die 42-Jährige mit ihrer zehnjährigen Tochter und den sechsjährigen Zwillingen einen Ausflug. Möglich macht’s das Jobsharing. Kunkler betreut montags und dienstags das Trainingssystem von Pfizer und organisiert Schulungen. Danach übernimmt Gibson. Mittwochvormittags ist das Zweier-Team gemeinsam im Büro, um sich abstimmen zu können. „Das Wichtigste ist, dass beide alle Infos weitergeben“, sagt Kunkler. „Die Kollegen wissen: Egal, wer von uns da ist, wir wissen über alles Bescheid.“

Da immer ein Ansprechpartner im Haus sein muss, sei das mit zwei Teilzeitkräften nicht zu machen. „Die Stelle wäre anders nicht teilbar. Wo ich aufhöre, macht meine Kollegin weiter.“ Wichtig ist dafür vor allem eine gute Organisation: So nutzen Kunkler und Gibson eine gemeinsame E-Mail-Adresse und dasselbe Ablagesystem.

Rund zwei Prozent der Freiburger Pfizer-Belegschaft arbeitet in Jobsharing-Modellen – und das in fast allen Unternehmensbereichen, von der Verwaltung über den Laborbereich bis hin zur Produktion. „Solche Modelle entstehen vielfach auf Betreiben der Mitarbeiter“, weiß Personalleiter Uwe Lürig. „Wir versuchen, die Wünsche nach flexibleren Arbeitszeiten zu realisieren, das gelingt uns meist ziemlich gut.“ In einer Zeit, in der Fachkräfte rar gesät sind, kann solch eine Flexibilität ein großer Imagegewinn für ein Unternehmen sein. So wünschen sich laut aktuellem Global Talent Monitor des Technologieunternehmens CEB 70 Prozent der Arbeitnehmer flexible Arbeitszeiten.

»Unternehmen hat immer ein Backup«

Doch auch das Unternehmen habe Vorteile, so Lürig: „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass in Teilzeit sehr effektiv und verdichtet gearbeitet wird.“ Beim Jobsharing lassen sich zudem Urlaubs- und Krankheitstage besser überbrücken, da zwei Mitarbeiter in eine Position eingearbeitet sind: „Das Unternehmen hat immer ein Backup.“

Dabei muss es gar kein so umfassendes Modell wie das Jobsharing sein: Einer Umfrage der IG Metall zufolge wünschen sich 86 Prozent der Arbeitnehmer einfach, mal kurzfristig für ein paar Stunden gehen zu können. Etwa, um die Kinder von der Kita abzuholen oder die Mutter zum Arzt zu bringen. Solchen Wünschen können Unternehmen mit einer Vielzahl von Modellen begegnen – von Gleitzeiten übers Home-Office bis hin zu Arbeitszeitkonten, auf die geleistete Stunden wie auf einem Sparbuch gutgeschrieben werden. Letzteres hatten 2016 schon 56 Prozent der deutschen Beschäftigten.

Dass die Betreuung von Kindern oder die Pflege von Angehörigen Zeit braucht, die sich neben dem Nine-to-five-Job nicht immer finden lässt, dem trägt auch der Tarifabschluss Rechnung, den die IG Metall im Februar in Baden-Württemberg durchgesetzt hat. Das Recht auf eine 28-Stunden-Woche, befristet auf bis zu zwei Jahre, hat für Furore gesorgt. „Der Tarifabschluss ist ein Meilenstein auf dem Weg zu einer modernen, selbstbestimmten Arbeitswelt“, freut sich Jörg Hofmann, Erster Vorsitzender der IG Metall.

Dass das Thema mittlerweile auch in der Politik angekommen ist, zeigt der neue Koalitionsvertrag. So soll das Arbeitszeitgesetz um eine Tariföffnungsklausel ergänzt werden, für „mehr selbstbestimmte Arbeitszeit der Arbeitnehmer und mehr betriebliche Flexibilität“. Dafür könne etwa „die Höchstarbeitszeit wöchentlich flexibler geregelt werden“. Außerdem soll in Betrieben ab 45 Mitarbeitern das Recht auf befristete Teilzeit eingeführt werden.

»Enorme Klimmzüge«

Für Steffen Auer, Präsident der Industrie- und Handelskammer Südlicher Oberrhein, steuert die GroKo damit in die falsche Richtung: „Das wirkt wie ein Anreiz für Teilzeit, der die Fachkräfteproblematik für die Betriebe weiter verschärft.“ Zudem erfordere dieses Recht vor allem von kleinen Firmen „enorme Klimmzüge“.

Dass die flexiblen Modelle auch für Arbeitnehmer nicht immer von Vorteil sind, zeigt eine Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung: So falle etwa das Abschalten nach Feierabend vielen schwer. Außerdem erschwerten unvorhergesehene Arbeitszeiten die Planung des Alltags.

Kunkler kennt solche Probleme trotz fünf Jahren Jobsharing nicht: „Ich habe kein Problem abzuschalten. Aber da habe ich auch Glück – ich weiß einfach, dass ich mich auf meine Kollegin voll und ganz verlassen kann.“

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