Kein Ende in Sicht: Südbaden sieht keine Überhitzungsgefahr für boomende Wirtschaft Politik & Wirtschaft | 18.03.2018 | Tanja Senn

Die südbadische Wirtschaft boomt. Egal, ob in der Industrie, im Handel oder im Handwerk: Die Geschäfte laufen blendend. So blendend, dass fast jeder siebte Industriebetrieb über seiner Kapazitätsgrenze arbeitet. Südbaden bildet da keine Ausnahme: Auf nationaler Ebene warnen die Wirtschaftsweisen bereits vor einer Überhitzung. In der Region macht man sich darüber keine Sorgen. Auch wenn der Fachkräftemangel bereits heute das Wachstum bremst.

Die bodentiefen Fenster des Konferenzraums geben den Blick auf einen wolkenverhangenen Himmel frei, doch auch ohne Sonnenschein ist die Laune von Steffen Auer und Andreas Kempff sonnig. Der Präsident und der Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) verkünden gute Nachrichten: Am südlichen Oberrhein reißt der Index der Geschäftslage zum dritten Mal in Folge das bisherige Allzeithoch. So geben in einer aktuellen Umfrage 63 Prozent der Unternehmen an, über eine gute Geschäftslage zu verfügen – nur drei Prozent bewerten sie als schlecht. Solch eine Zufriedenheit sei weder in den Hochzeiten der Dotcom-Blase noch vor oder nach der Finanzkrise 2009 erreicht worden, freut sich Auer.

Auch beim Industrieverband WVIB stehen die Zeichen gut: Im vergangenen Jahr sind die Aufträge um rund zehn Prozent gestiegen. 72 Prozent der mehr als 1000 Mitgliedsbetriebe seien daher aktuell voll ausgelastet.

Nicht nur die Industrie hat Grund zum Jubeln. Zum Jahresabschluss ließ auch das südbadische Handwerk dank Umsatzplus und vollen Auftragsbüchern die Korken knallen: Jeder vierte Betrieb durfte sich allein im letzten Quartal über ein Auftragsplus freuen.

Die südbadische Konjunktur spiegelt damit die nationale Großwetterlage wider: Die deutsche Wirtschaft verzeichnete vergangenes Jahr den stärksten Zuwachs seit 2011. Damit gibt es derzeit den längsten wirtschaftlichen Aufschwung seit der Wiedervereinigung.

Doch im November verpassten die fünf Wirtschaftsweisen der Feierlaune einen Dämpfer: Die deutsche Wirtschaft befände sich in einer Überauslastung, heißt es in ihrem Jahresgutachten. Das (prognostizierte) Wachstum von 2,0 Prozent in 2017 und 2,2 Prozent in 2018 stehe einem Potenzialwachstum von 1,4 Prozent gegenüber.

Auch in der Region lassen sich diese Tendenzen erkennen: So arbeiten laut Freiburger Handwerkskammer elf Prozent der Betriebe über ihrer eigentlichen Kapazitätsgrenze. Unter den Mitgliedern des WVIB sind sogar 15 Prozent überausgelastet.

WVIB-Hauptgeschäftsführer Christoph Münzer sieht darin allerdings keinen Grund zur Sorge: „15 Prozent Überauslastung in den Industrieunternehmen ist ein strammer Wert, aber noch kein kollektives Alarmsignal. Im Moment rechnet niemand mit einer harten konjunkturellen Landung.“ Auch die IHK-Mitglieder haben noch keinen Wendepunkt in Sicht. Jeder dritte Unternehmer erwartet, seine Geschäfte im kommenden Jahr ausbauen zu können.

Eine Gefahr für die anhaltende Hochkonjunktur ist der Fachkräftemangel: Fast zwei Drittel der Befragten sehen darin ein Risiko. Im Vergleich zum Herbst ist dies nochmals ein Anstieg um vier Prozentpunkte. Vor allem im Hotel- und Gastgewerbe trübt er massiv die Zukunftsaussichten: Hier verharrt der Index der Geschäftserwartungen unverändert bei minus zwei Prozent im negativen Bereich. Jedes fünfte Unternehmen rechnet damit, dass sich die Beschäftigtenzahl in den kommenden zwölf Monaten sogar verringern werde.

„Die Tatsache, dass Arbeitskräfte rar sind, verschärft die Lage und wirkt bereits als Wachstumsbremse“, sagt Münzer. Auch bei Auer trübt das die sonnige Stimmung: „Ohne Fachkräfte steigen die Arbeitskosten. Das ist zwar positiv, weil alle am Wohlstand teilhaben, aber wenn es nicht mehr zur globalen Entwicklung passt, wird dieser Trend schnell kritisch.“