Klavier trifft Star Wars: Jazzprofessor spielt Flügel mit Datenhandschuhen STADTGEPLAUDER | 27.08.2017

Nein, Luke Skywalker sitzt da nicht am Flügel. Doch mit seinen schwarzen Handschuhen könnte Ralf Schmid glatt eine Sternenkrieg-Filmrolle besetzen. Dabei kämpft der Freiburger nicht gegen das Böse, sondern verbindet moderne Sounds mit klassischem Flügelspiel. Jahrelang hat sich der 48-Jährige in die Technik eingearbeitet. Am 20. September stellt er sie als „Pyanook“ erstmals im E-Werk vor.  

Voll vernetzt: Ralf Schmid beim Üben in der Jazz und Rock Schule.

  176 Tasten, zwei Handschuhe, ein Professor. In Jeans und Sportschuhen sitzt Ralf Schmid zwischen zwei Flügeln in der Freiburger Musikhochschule. Seine Hände gleiten über die Tasten. Nur die Fingerspitzen sind zu sehen, den Rest verbergen zwei schwarze Handschuhe mit Platinen und LEDs am Handgelenk.   Bewegt Schmid seine Hände weg vom Flügel, bekommen Klänge Effekte: ein Echo, ein Tremolo, eine Verzerrung. Er ballt die Hand zur Faust, fährt mit dem Zeigefinger durch die Luft, schwenkt den Arm nach rechts. Töne fliegen als Echo durch den Raum, klingen plötzlich metallisch oder butterweich. „Das Klavierspiel wird entgrenzt“, schwärmt Schmid.   Was magisch wirkt, ist technisch erklärbar: „Im Handschuh sind Bänder mit Sensoren, sie reagieren auf Bewegung“, erklärt der Professor. Ein Sender schickt die Bewegungen an einen Router, der mit Schmids Macbook gekoppelt ist. So kann er Gesten einzelne Effekte zuweisen.   Schmid ist Pianist, Arrangeur, Produzent. Er arbeitete mit Herbie Hancock und Whitney Houston, veröffentlichte sechs Alben mit dem Echo-gekrönten Trompeter Joo Kraus und landete auf Platz 1 der Jazz-Charts. Jetzt will er mit Pyanook etwas Neues schaffen: Es gebe zwar Musiker, die mit den Handschuhen arbeiten, keiner jedoch am Klavier. Ist ihm das Instrument zu langweilig geworden? „Nein, aber wir sind im Jahr 2017“, sagt er. Wenn er es nicht mache, tue es ein anderer.  

Futuristisch: Ralf Schmid will das Flügelspiel entgrenzen.

  Vor fünf Jahren hat er ein Fuß-Effektpedal mit dem Flügel verbunden. Schließlich entdeckte er die Sensortechnik. Rund 5000 Pfund hat er für die Handschuhe der Londoner Entwicklergruppe mi.mu gezahlt. Sie sind mit drei Audioprogrammen auf seinem Rechner gekoppelt, um die nötigen Effekte zu erzeugen.   „Das ist wahnsinnig aufwendig, eine Sache von Jahren“, sagt Schmid. Tage und Wochen habe er investiert, um Flügel und Handschuhe verschmelzen zu lassen. „Ich hatte viele Fehlläufe, viel Zeug steht mittlerweile in der Ecke“, berichtet er.   Pyanook ist nun bühnenreif. Es soll seine Musik bunter machen, größer orchestrieren. Nicht alles ist dabei digital: Auch ein Kugelschreiber erzeugt Effekte.   Für die Premiere im E-Werk plant Schmid auch visuell: Der Video-Künstler Pietro Gardarelli wird eine bunte Traumlandschaft entstehen lassen, die mit der Musik interagiert. „Musik für die Leute“, betont Schmid. Ein bisschen Jazz, ein bisschen Pop, ein bisschen Elektro. Er wolle nicht im Elfenbeinturm sitzen, sondern die Menschen unterhalten.   Das können seine Handschuhe sogar ohne Musik: Seine Kinder spielen damit zu Hause Darth Vader.   https://www.youtube.com/watch?v=-nDZX1XjcY8   www.jazzfestival-freiburg.de ralfschmid.de   Text: Till Neumann / Fotos: Till Neumann & Steffen Thalemann