Kraft und Schwächen: Lesung und Gespräch mit Jonas Lüscher STADTGEPLAUDER | 20.02.2017

„Wir alle haben schon mit der Liebe zu tun gehabt, von der wir dann einsehen müssen, dass wir sie uns nicht leisten können.“ Dieses Zitat des US-Schauspielers Paul Ford stellt der Schweizer Autor Jonas Lüscher an den Anfang seines jüngst erschienenen Romans „Kraft“, den er am 22. Februar auf Einladung des Literaturbüros und der Buchhandlung Schwarz in Freiburg präsentiert. Und ohne diese Erkenntnis hätte das Buch womöglich anders geschrieben werden, einen anderen Impuls finden müssen, um die (natürlich fiktive) Handlung in Gang zu bringen.

Denn es ist fraglich, ob der Tübinger Rhetorikprofessor Richard Kraft ohne eine solche Liebe die Einladung von István Pánczél angenommen hätte. Dieser inzwischen im kalifornischen Stanford selbst zum Professor avancierte Freund und Weggefährte aus früheren Tagen hatte ihn aufgefordert, an einem wissenschaftlichen Wettbewerb um eine zeitgemäße Antwort auf die alte Theodizee-Frage teilzunehmen, die ein verschrobener Millionär aus dem Silicon Valley ausgeschrieben hat. Mit einem dementsprechenden Preisgeld für die schlüssigste und optimistischste Antwort auf die komplexe Frage, wie das Übel überwunden werden könne, das trotz der Weisheit und Güte Gottes in der Welt sei – und wie die moderne Technik angewandt werden müsse, um menschliche Lebens- und Freiheitsbedingungen zu schaffen, statt sie zu zerstören: Dem Gewinner winkt eine ganze Million Dollar.

Kraft, unglücklich mit einer verschwenderischen und sehr anspruchsvollen Frau verheiratet und dadurch finanziell einigermaßen gebeutelt, war beim Erhalt von Istváns E-Mail zwar geneigt, das Angebot als Scherz abzutun, doch bald sah er darin einen möglichen Ausweg aus seiner Misere. Zumal seine Ehefrau in Aussicht stellte, dass „wir es uns dann leisten können, dieses Experiment hier abzubrechen“, wenn er nur diesen „albernen Wettstreit“ gewinne. Und die Vorfreude auf die Möglichkeit, sich endlich, nach 15 Jahren von ihr und den Zwillingstöchtern freizukaufen, beflügelt den Mittvierziger dazu, hochphilosophische Überlegungen darüber anzustellen, weshalb alles, was ist, gut ist und wir es dennoch verbessern können. Und seine Erkenntnisse in einen Vortrag zusammenzufassen, der nicht länger als 18 Minuten dauern darf.

Voller Zuversicht und mit (fast) unerschütterlichem Vertrauen in seine Kapazitäten macht er sich auf dem Weg nach Kalifornien – und muss st einige seiner Überzeugungen revidieren. Mehr sei hier aber nicht verraten über den diesen herrlich zugespitzt und furios geschriebenen, komisch-böse erzählten Roman: Jonas Lüscher ist ja demnächst in Freiburg, um daraus zu lesen. Und nicht nur mit Katharina Knüppel vom Literaturbüro ins Gespräch über Preisgewese, Politik und die galoppierende Schwindsucht des Anstands zu kommen. Sondern auch mit den Lesern und Zuhörern.

Text: Erika Weisser / Foto: © Don Manfredo

Cover-zu-Lesung_Luescher

Jonas Lüscher: „Kraft“; Verlag C.H. Beck 2017 (2. Aufl.), 237 Seiten, gebunden; 19,95 Euro

Lesung & Gespräch: Mittwoch, 22. Februar 2017, 20 Uhr, Weingut Andreas Dilger, Urachstr. 3