Kryptowährung Bitcoins boomt – doch brauchen wir sie überhaupt? Politik & Wirtschaft | 23.03.2017

Sie treffen sich am Freiburger Hauptbahnhof. Der eine bringt das Geld, der andere die Ware. Ein kurzer Blick, ein Handschlag, ein paar Worte, dann die Geldübergabe, und binnen weniger Momente ist der Deal gemacht. Das Gut hat den Besitzer gewechselt. Es geht um: Bitcoins.

Bitcoins sind eine digitale Währung. Von Hochleistungscomputern erzeugtes Geld, das ohne Staaten und Banken auskommt, aber auf der ganzen Welt gültig ist. Zumindest theoretisch. Der Kurs richtet sich immer nach der Nachfrage. In Internetforen wird es angeboten, dort werden Treffpunkte ausgemacht, Geldübergaben vereinbart. „So bin ich auch an meine Bitcoins gekommen“, erinnert sich Sven Jansen.

Jansen ist im Hauptberuf Vorstand des IT-Unternehmens Esono aus Freiburg. Seine Firma entwickelt Shop-Lösungen für Websites, hat unter anderem den Shop von Media-Markt mit aufgebaut. Als Technikfreak hat er sich auch für die Kryptowährung interessiert. Sogar mit Rechnern im eigenen Keller selbst neue Bitcoins geschürft. Denn Bitcoins werden in einem aufwändigen Prozess von Hochleistungscomputern erzeugt. „Gerechnet hat sich das für mich nicht wirklich“, so Jansen. „Aber die Wäsche ist schneller getrocknet.“ Er lacht. Mittlerweile hat er auch seine Bitcoins wieder verkauft. Und darüber ärgert er sich.

Gesamtzahl aller Bitcoin-Transaktionen weltweit von Januar 2015 bis Januar 2017 (in Millionen).

Gesamtzahl aller Bitcoin-Transaktionen weltweit von Januar 2015 bis Januar 2017 (in Millionen).

Denn aktuell erfahren die Bitcoins einen Hype: Der Kurs für einen Bitcoin durchbrach Ende Februar erstmals die Schwelle von 1200 US-Dollar. Ein neuer Rekord und ein beachtlicher Anstieg in kürzester Zeit, denn am 11. November 2016 lag der Kurs gerade mal bei 658 Dollar. Angetrieben wird die Digitalwährung unter anderem von Meldungen, dass die US-Finanzaufsicht demnächst einen ersten Investmentfonds mit Bitcoins zulassen werde.

Doch bislang sind Bitcoins weniger ein gebräuchliches Zahlungsmittel und vor allem eine Geldanlage. „Eine hoch spekulative“, sagt Nadine Rückeshäuser vom Institut für Informatik und Gesellschaft an der Uni Freiburg. Sie vergleicht die Coins mit Aktien. Man spekuliert darauf, dass der Kurs steigt oder fällt, um sie dann wieder zu verkaufen. Für Sven Jansen hat das funktioniert. Er hat seine Bitcoins gewinnbringend wieder abgestoßen, jedoch deutlich unter dem Kurs, auf dem sie heute stehen.

Fraglich ist allerdings, welchen Nutzen Bitcoins im täglichen Leben haben. Jansen hat zwar schon viele Bezahllösungen an Internetseiten gekoppelt. „Eine für Bitcoins war aber noch nicht dabei“, sagt er. Das liegt zum einen daran, dass es in der westlichen Welt immer noch ein gut organisiertes, halbwegs stabiles Bankensystem gibt. Zum anderen aber auch daran, dass sich andere Lösungen, wie etwa Paypal, längst durchgesetzt haben. Dort steht zwar mittelbar auch noch eine Bank dahinter, doch wird das System als unabhängig wahrgenommen. Und vor allem ist es mittlerweile so weit verbreitet, dass es jeder kennt.

In China zum Beispiel ist das anders. Dort sind Bitcoins mittlerweile extrem populär. „Auch in Argentinien sind Bitcoins weiter verbreitet“, bestätigt Rückeshäuser. „Dort ist die Währung noch volatiler.“ Laut Schätzungen befinden sich aber aktuell etwa 80 Prozent der weltweiten Bitcoin-Reserven auf chinesischen Rechnern. Auch in Zypern, wo man schlechte Erfahrungen mit dem Bankensystem gemacht hat, soll jetzt etwa die Zahlung von Studiengebühren per Bitcoin ermöglicht werden.

Rasanter Anstieg: Zahl (in Mio.) der sich im Umlauf befindlichen Bitcoins.

Rasanter Anstieg: Zahl (in Mio.) der sich im Umlauf befindlichen Bitcoins.

Das Internetportal Coinmap sammelt weltweit Bezahlstellen mit Bitcoins. Auf der Karte ist Freiburg und das gesamte Südbaden noch ein weißer Fleck. Ein paar Kilometer weiter südlich sieht es anders aus. In Basel etwa kann man in Szenekneipen, beim Kunsttherapeuten und sogar bei einem Zahnarzt mit Bitcoins bezahlen. Per Smartphone. Ein hübscher Marketinggag sei das, mehr nicht, räumt Rückeshäuser ein. „Ich selbst würde nicht mit Bitcoins bezahlen.“ Denn wie bei einer echten Aktie kann der Kurs auch fallen. Experten sehen sogar die Gefahr, dass die Spekulationsblase platzt und die Coins dann über Nacht gar nichts mehr wert sind.

Und es gibt noch eine weitere Kehrseite der Medaille: Weil man für Bitcoins kein Bankkonto braucht und die Bezahlung anonym erfolgen kann, sind sie auch bei zwielichtigen Gestalten beliebt. Sie sind ein bevorzugtes Zahlungsmittel in den dunklen Gassen des Internets, im Darknet. Es ist ein offenes Geheimnis, dass Bitcoins immer wieder für schmutzige Geschäfte, etwa Drogen oder illegalen Waffenhandel oder auch für Geldwäsche missbraucht werden. Der US-amerikanische Drogenmarkplatz Silk Road war lange der wichtigste Handelsplatz für Bitcoins. Als das FBI den Online-Dealer im Oktober hochgehen ließ, wurden auch Bitcoins im Gesamtwert von mehr als 100 Millionen US-Dollar beschlagnahmt.

Trotzdem hat sich die Zahl der Bitcoin-Transaktionen in den vergangenen zwei Jahren mehr als verdreifacht. Waren es im Januar 2015 noch 58,4 Millionen Bitcoin-Transaktionen pro Monat, ist die Zahl bis in den Januar 2017 auf 192,5 Millionen angestiegen. Ein Plus von 229 Prozent.

Die Kryptowährungs-Expertin Rückeshäuser glaubt aber nicht, dass die Bitcoins sich auf dem deutschen Markt durchsetzen werden. Interessanter sei die Technologie, die dahinter steht. Die sogenannte Blockchain erlaubt eine hochwertige Form der Verschlüsselung. Banken, in der freien Wildbahn der natürliche Feind der Bitcoins, arbeiten auch an Blockchain-Anwendungen. Auch in der Industrie wird die Technik schon eingesetzt. Etwa im Supply-Chain-Management, um die Herkunft der Warenströme in der industriellen Produktion besser zu durchschauen.

Text: Philipp Peters / Illustration: © istockphoto.com/erhui1979 / Collage: © bib