Literarische Entschleunigungskur: Kartoffelmarkt wird zum Freilicht-Lesewohnzimmmer STADTGEPLAUDER | 24.07.2017

Pünktlich zum Beginn der Sommerferien wird Freiburg für einen Abend und drei Tage zur Lesestadt. Vom 27. bis 30. Juli kann jeder Mensch, der Zeit und Muße findet, auf dem Kartoffelmarkt verweilen und in einer der dort präsentierten 3000 Neuerscheinungen lesen, schmökern, nachschlagen oder einfach nur blättern. Bei freiem Eintritt, bis zum Einbruch der Dunkelheit, nach Herzenslust und obendrein gemütlich: Neben einem riesigen Bücherturm laden Hängematten und Sitzsäcke zur entspannten und entspannenden Lektüre ein. Oder zum Zuhören – denn an allen Veranstaltungstagen gibt es auch Lesungen.

Entspannte Lese-Oase auf dem Kartoffelmarkt.

Bereits zum fünften Mal organisiert die Stadtbibliothek dieses Open-Air-Lesefestival namens „StadtLesen“. Zur großen Freude von Bibliotheksdirektorin Elisabeth Willnat. Denn für sie gehört die Präsentation, die öffentlichkeitswirksame Vermittlung von Literatur genauso zu den Aufgaben einer Bücherei wie die Ausleihe und die Gewährleistung eines gut sortieren Angebots. Für sie ist „StadtLesen“ eine „Liebeserklärung an das gedruckte Buch“, eine schöne Gelegenheit, Menschen einen sinnlichen, haptischen Zugang zur Lektüre zu eröffnen und dafür zu begeistern.

Der Zeitpunkt der Veranstaltung ist nach Willnats Auffassung „geradezu ideal“. Und bewusst gewählt: Es ist die Zeit des Übergangs von der Arbeits-, Studien- oder Schulzeit in die Sommerpause. Gestresste Menschen kön­nen sich in diesem „Lesewohnzimmer unter freiem Himmel“ schon einmal auf das Abschalten, auf die Muße einstellen. Sie können sich, wie Kulturbürgermeister Ulrich von Kirchbach in seinem Grußwort schreibt, einer „wohltuenden Entschleunigungskur mittels Literatur“ hingeben.

Passend zur Sommerferienzeit können sich die Gäste im Lesewohnzimmer aber auch mit dem wohl beliebtesten aller Urlaubsthemen beschäftigen, sich zusammen mit dem Autor und passionierten Reisenden Matthias Poli­tycki Gedanken über Fernweh, Entdecker­drang und Abenteuerlust machen. Er liest am Eröffnungsabend aus seinem neuen Buch „Schrecklich schön und weit und wild “, einer höchst kurzweiligen, erlebnisreichen, ziemlich philosophischen und von einer ausgezeichneten Beobachtungsgabe getragenen Abhandlung über den Sinn des Reisens.

Diese im Programm als „bibliophiles High­light“ bezeichnete Eröffnungslesung mit einem bekannten Autor gehört zu den Vorgaben der in Salzburg ansässigen Innovationswerkstatt, die das Projekt „Stadt­Lesen“ vor acht Jahren entwickelte und seither in ausgesuchten Lesestädten im deutsch­sprachigen Raum umsetzt. Außer den Rahmenbedingungen, zu denen auch ein Integrations- und ein Familienlesetag gehören, liefert sie die Bücher, die Sitz- und Liegegelegenheiten, die Regale, die Bühne und die Technik. Und lässt den örtlichen Partnern bei der inhaltlichen Gestaltung des Programms freie Hand.

Diese müssen sich dabei aber schon anstrengen: Nach Auskunft von Elisabeth Will­nat ist es nicht selbstverständlich, zur Lesestadt gekürt zu werden. Für die Vergabe dieses Titels ist außer einer jährlichen Neubewerbung auch das Votum des Publikums auf der Website der Innovationswerkstatt ausschlaggebend. Und dass Freiburg nun zum fünften Mal in Folge den Zuschlag erhält, wertet sie als Anerkennung des Engagements der Mitarbeiter der Stadtbibliothek.

Infos: www.stadtlesen.com/lesestaedte/freiburg/

Schrecklich schön und weit und wild – Warum wir reisen und was wir dabei denken
Autor: Matthias Politycki
Verlag: Hoffmann und Campe, 2017
Seiten: 350, gebunden
Preis: 22 Euro

Text: Erika Weisser / Foto: Stadtbibliothek Freiburg