Malerin der Worte: Die Freiburger Autorin Iris Wolff steht an einem Wendepunkt 4Literatur & Kolumnen | 16.03.2018 | Erika Weisser

Beachtlicher Erfolg für Iris Wolff: Ihr vor einem Jahr erschienener Roman „So tun, als ob es regnet“ kommt am 21. März schon in der vierten Auflage in den Handel. Die 40-jährige Freiburger Autorin entwickelt darin auf nur 166 Seiten eine ganz besondere, über vier Generationen und vier Ländergrenzen reichende Familiengeschichte. Mit feinem Gespür für die sprachliche Erfassung auch der kleinsten Geste und anhand von Protagonisten, deren Familienbande nur an wenigen Stellen sichtbar werden.

Zunächst lässt Wolff in einem Winter des Ersten Weltkriegs den österreichischen Soldaten Jacob in einem Truppentransportzug nach Siebenbürgen fahren, „durch Dörfer, an Häusern vorbei, die ihre Dächer wie Hüte trugen“. Dort wird er bei einer sächsischen Bauernfamilie einquartiert. Henriette, die ein Dreivierteljahr danach geborene Tochter dieser Familie, gesellt sich als junge Frau zu einer (Männer-) Gesellschaft der Schlaflosen, zu Schnaps und „Geschichten, die nur nachts erzählt werden können“.

Ihre Ruhelosigkeit spiegelt sich eine Generation später in dem leidenschaftlichen Motorradfahrer Vicco wider, der mit seiner Freundin Liane eine 600 Kilometer weite Fahrt ans Meer unternimmt – um ein paar Stunden mit ihr allein zu sein, fangfrischen Fisch zu essen und eine verlassene Bucht zu finden. Diese beiden lässt Wolff schließlich den Weg so vieler Siebenbürger Sachsen – auch ihrer eigenen Familie – nach Deutschland gehen. Mit der Tochter Hedda, die Schriftstellerin wird und auf eine Kanarische Insel zieht. Und immer noch so tut, als ob es regnet.

Der „Roman in vier Erzählungen“ begeisterte nicht nur die Leser, die dafür sorgten, dass er innerhalb eines Jahres dreimal nachgelegt wurde. Er wurde auch von Literaturkritikern in ganz Deutschland, Österreich und der Schweiz hochgelobt. Von gemalten Worten ist da etwa die Rede; Denis Scheck sprach auf der ARD-Bühne der Frankfurter Buchmesse gar von dem Eindruck, „als habe Herta Müller eine schreibende Tochter“.

So tun, als ob es regnet
Iris Wolff
Otto Müller Verlag, Salzburg 2017
4. Auflage März 2018
166 Seiten, gebunden
Preis: 20 Euro

Mit der ebenfalls in Rumänien gebürtigen Literaturnobelpreisträgerin von 2008 ist die aus dem siebenbürgischen Hermannstadt stammende Iris Wolff nicht verwandt. Doch sie freut sich über so viel Lob – und darüber, dass ihr dritter Roman „weitere Kreise zieht“. Erwartet habe sie das nicht, ebenso wenig wie das mit 12.000 Euro dotierte Literaturstipendium des Landes Baden-Württemberg, das sie vor wenigen Wochen erhielt.

Dieses Stipendium ermögliche ihr, „das Schreiben noch mehr in den Mittelpunkt meines Lebens zu stellen“. Ende März will sie mit ihrer Arbeit beim Kulturamt der Stadt Freiburg aufhören, um sich intensiv ihrem vierten Roman zu widmen, von dem sie nur verrät, dass er im Banat beginnt. In diesen Tagen ist sie bei der Leipziger Buchmesse, wo sie mit anderen Autoren die Anthologie „Wohnblockblues mit Hirtenflöte“ präsentiert. Und mit Michael Kaiser vom Jungen Theater nach Autoren sucht, die im Oktober zum Lirum Larum Lesefest nach Freiburg kommen wollen.

Wohnblockblues mit Hirtenflöte – Rumänien neu erzählen
Michaela Nowotnick & Florian Kühler-Wielach (Hrsg.)
Verlag Klaus Wagenbach, März 2018
240 Seiten, broschiert
Preis: 13,90 Euro

Foto: © Inge Alzner