Morgen startet die Liga – Interview mit SC-Sportvorstand Jochen Saier STADTGEPLAUDER | 27.08.2016

Jochen Saier hatte reichlich zu tun seit dem Aufstieg des SC Freiburg ins Oberhaus. Der Vorstand Sport sprach zwischen Trainingslager und der ersten Runde im DFB-Pokal mit chilli-Autor Dominik Bloedner.

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chilli: Herr Saier, die Transferperiode geht bis September. Sind die Kaderplanungen abgeschlossen?
Saier: Ich würde weitere Transfers nicht gänzlich ausschließen. Wir haben zwar den Kader schon frühzeitig verdichtet und hoffentlich besser gemacht auf der einen oder anderen Position. Als Aufsteiger haben wir einiges getan, auch finanziell. Dennoch halten wir die Augen offen. Vielleicht muss man nochmal auf Verletzungen reagieren. Eventuell spielt das System dabei auch eine Rolle in Bezug auf die Innenverteidiger. Streich hat ja einige Male mit Dreierkette spielen lassen. Wir brauchen in der Ersten Liga die maximale defensive Stabilität.

chilli: Der Kader umfasst derzeit 32 Spieler (10. August). Konkurrenz ist immer gut, aber sind das nicht ein bisschen viele?
Saier: Sicher, bei einigen wie Mensur Mujdza, Philipp Zulechner und Amir Falahen suchen wir bekanntlich nach Lösungen.

chilli: Wie verlief die Saisonvorbereitung?
Saier: Wir sind gut hineingekommen, auf dem Trainingsplatz war und ist richtig Energie. Die Jungs sind hungrig, sie haben in der Vorbereitung eine gute Körperlichkeit gezeigt und auch mit dem Ball gute Sachen gemacht. Ich hoffe, dass die Jungs, wie etwa Florian Niederlechner, ihre Form und Treffsicherheit in den Ligabetrieb mitnehmen. Auch bei den Neuen sehe ich dieses „Unbedingt-schaffen-Wollen“.

chilli: Die Profis, die nicht zum Zug kommen, in der zweiten Mannschaft einzusetzen, ist durch deren Abstieg in die Oberliga nicht mehr so sinnvoll.
Saier: Der Wiederaufstieg in die Regionalliga ist das Ziel. In der vergangenen Saison war es für beide Mannschaften aufgrund der vielen Verletzungen extrem schwer. Nun verfolgen wir einen neuen Ansatz: Wir haben in der Zweiten eine Gruppe erfahrener Stammspieler eingebaut, die Stabilität bringen, und die ergänzen wir, im Gegensatz zur Vorsaison, mit weniger Schnittstellenspielern, die zwischen Profis und Amateuren pendeln.

chilli: Können Sie junge Spieler von der fünften an die erste Liga heranführen?
Saier: Die Durchlässigkeit wird bleiben.

chilli: Sie waren jahrelang Leiter der Freiburger Fußballschule. Diese war Vorreiter, bewundert im Rest von Fußballdeutschland. Die gute Nachwuchsarbeit war die Lebensversicherung des SC. Nun gehören solche Schulen zum Standard, andere Vereine, wie Hoffenheim, setzen auf Jugendarbeit und zahlen schon Kindern gute Gehälter. In der Tabelle spiegelt sich das wider: Die Jugendmannschaften des SC sind nur noch Durchschnitt.
Saier: Richtig, wir hatten einen Vorsprung. Das war und ist das Fundament, nicht nur wegen der Transfereinnahmen. Nachwuchsarbeit ist nun keine Nische mehr, viele andere Clubs machen eine gute Arbeit. Der Kampf um Talente verschiebt sich immer mehr in die jüngeren Altersklassen und leider spielt auch das Geld eine immer größere Rolle. Leipzig etwa hat wahnsinnige Voraussetzungen geschaffen. Wir sind dennoch glücklich und zufrieden mit dem, was wir haben.

chilli: Aber wie wollen Sie als Sportvorstand gegensteuern?
Saier: Unser Standortvorteil ist nach wie vor, dass wir als einziger Proficlub in Südbaden ein relativ großes Einzugsgebiet haben. Das müssen wir optimal beackern. Bei Spielern, die von außerhalb kommen und im Internat untergebracht sind, punkten wir mit Durchlässigkeit und guter Arbeit. Wir haben viele Jungs an ihr persönliches Maximum gebracht. Im aktuellen Kader sind immer noch sechs eigene Spieler.

chilli: Wollen oder müssen Sie nun auch Geld ausgeben, um junge Talente zu bekommen?
Saier: Ohne finanziellen Aufwand wird es nicht mehr gehen, so ist nun mal die Marktlage. Für einen Jugendlichen, der vier Jahre in der Schweiz ausgebildet wurde, sind etwa 300.000 Euro an Ausbildungsentschädigung fällig, das ist im FIFA-Reglement verankert. Das aber zahlen wir aus Überzeugung nicht. Leistungsbezogene Transfervereinbarungen mit den Vereinen sind die einzige Alternative. Ab der U-15 ist das Feld in Deutschland heute schon abgegrast, da sind fast alle Spieler schon in Leistungszentren. Wenn wir einen solchen Spieler wollen, müssen wir bereit sein, zwischen 10.000 und 50.000 Euro in die Hand zu nehmen. Dieser Entwicklung können wir uns leider nicht entziehen.

chilli: Kann der ruhige Aufbau eines Talents heute noch funktionieren?
Saier: Es ist viel mehr Tempo drin als früher, das liegt an unruhigeren Spielern, deren Umfeld samt Beratern. Dass Spieler wie Daniel Caligiuri, Jonathan Schmid oder Oliver Sorg über Jahre nachhaltig für die Erste Liga vorbereitet werden, ist heute nicht mehr so einfach möglich. Wir müssen als Schutzraum für die jungen Spieler fungieren. Das Tempo ist nicht gesund, weder für die Jungs noch für uns als Verein.

chilli: An dem jungen Türken Çaglar Söyüncü, 2,25 Millionen Euro Marktwert, waren mehrere Clubs dran. Warum bekam der SC den Zuschlag?
Saier: Nicht wegen des Gehalts, das wir zahlen. Wir waren schon länger in Kontakt. Er ist ein Riesentalent, muss aber noch an einigen Dingen arbeiten und sich an die Sprache und den neuen Kulturkreis gewöhnen. Söyüncü konnten wir vermitteln, dass er sich bei uns in Ruhe darauf konzentrieren kann. Und dass wir es ernst und ehrlich meinen.

chilli: Welchen Transfer hätten Sie gerne vollzogen und wurden enttäuscht?
Saier: So etwas passiert nicht selten, das gehört zum Geschäft. Hier ist Frustrationstoleranz gefragt. Es ist, wie wenn du gut spielst, am Ende aber 0:1 verlierst.

chilli: Gute Spieler werden regelmäßig vom SC weggeholt. Aber hat schon einmal ein anderer Club sich um Ihre Dienste bemüht?
Saier: Das gab es schon. Doch ich fühle mich am richtigen Ort und beschäftige mich nicht damit.

Text: Dominik Bloedner / Foto: © dob


Zur Person:
Jochen Saier, 38, wurde in Lahr geboren und wuchs bei Offenburg auf. Er studierte Sportökonomie in Bayreuth und kam nach einem Fußballstipendium an der Northeastern University in Boston/USA in die Freiburger Fußballschule. Seit 2002 ist er hauptamtlich beim SC tätig. Bis April 2013 war er Leiter der Freiburger Fußballschule, danach – gemeinsam mit Klemens Hartenbach – Sportdirektor des SC. Seit Oktober 2014 ist Saier Vorstand Sport und im Vorstand des Fördervereins Freiburger Fußballschule.