„Mutti“ schaut in Freiburg vorbei: die Kanzlerin auf Stimmenfang Politik & Wirtschaft | 19.09.2017

Die wartende Menge erhebt sich und schaut gespannt in die Richtung, aus der Angela Merkel kommt. Manche gucken sogar aus den umliegenden Fenstern, um einen Blick auf die Kanzlerin zu erhaschen. Applaus kommt auf, trotzdem sind die Buhrufe und Pfiffe nicht zu überhören. So wird die Kanzlerin in Freiburg empfangen. Am Montag, zwei Tage nach ihrem Konkurrenten Martin Schulz, stattete sie Freiburg auf dem Münsterplatz einen Besuch ab. Am Ende wird es sogar pathetisch.

Knallgelb und gut gelaunt: Auch in Freiburg darf die Merkelraute nicht fehlen.

Die Ersten versammeln sich schon um 11 Uhr auf dem Münsterplatz. Die geladenen Gäste nehmen in den vorderen Reihen Platz. Je näher es auf 11.30 Uhr zugeht, umso dichter wird die Menge außerhalb der Absperrung. Musikalisch wird die Veranstaltung mit der Live-Band Victory 17 eingeleitet. Kurz darauf ist Matern von Marschall auf der Bühne. Vor vier Jahren wurde er mit dem Direktmandat in den Bundestag gewählt. Er geht in seiner Rede auf das ein, was er in seiner letzten Legislaturperiode erreicht hat für Freiburg. 150 Millionen Euro Bundesmittel für die Universität Freiburg.

Nach der Stadtratsfraktion treten die Wahlkreiskandidaten aus der Umgebung auf. Sobald sie die Bühne betreten, beginnen die ersten Pfiffe und Buhrufe. Zwar sieht man nur zwei Plakate, doch die Gegenstimmen sind deutlich lauter als zwei Personen.

Aus dem Weg! „Mutti“ kommt: Am Montag herrschte dichtes Gedränge auf dem Münsterplatz.

Pünktlich um 12.30 Uhr betritt die Kanzlerin den Münsterplatz. Menschen stehen auf, Applaus ertönt, aber die Pfiffe und Buhrufe werden lauter. Gekleidet in sommerlichem Gelb, drängt sie sich lächelnd durch das Publikum. Der Protest scheint ihr nichts auszumachen. Auf der Bühne plaudert sie munter drauf los: Sie sei gerade von der Geburtstagsfeier von Wolfgang Schäuble gekommen und solle liebe Grüße an seine Heimatstadt ausrichten. Sie sei da, um ihre Kollegen zu unterstützen und klar zu machen, dass die Wahl noch nicht entschieden ist: „Die CDU hat keine Stimme zu verschenken.“

Seit sie im Amt ist, hätten viele Menschen eine bessere Lebensperspektive. Deswegen wolle sie den Kurs so fortsetzen. Die Buhrufe werden lauter. Doch anstatt sich von ihnen verunsichern zu lassen, richtet Merkel das Wort an die grölende Gruppe. „Ein paar Menschen denken, so was schafft man mit Pfeifen und Buhen, aber sie irren sich.“ Applaus kommt auf, die Buher verstummen erst einmal.

Mit fester Stimme setzt sie ihre Rede fort und spricht die wirtschaftliche Lage von Deutschland an. Es soll dafür gesorgt werden, dass Menschen nicht nur heute gute Arbeit hätten, sondern auch morgen. „Jeder und jede wird gebraucht, damit Deutschland gut dasteht, Arbeitnehmer wie Arbeitgeber.“

Die digitale Veränderung in unserer Gesellschaft beeinflusst den Alltag, wie auch in der Verkehrsstruktur wieder. Der Weg zu E-Mobilität müsse schnell beschritten werden, damit die deutsche Autoindustrie weiterhin Spitzenklasse bleibt. Die Bildung nehme im Wahlprogramm der CDU einen besonderen Stellenwert ein. Zwar sei dies Ländersache, trotzdem müsse der Bund an bestimmten Stellen eingreifen, vor allem bei der Digitalisierung. Damit soll der schnelles Internet für alle geben und Lehrer sollen digitale Weiterbildungen erhalten.

Gutes Wetter, schlechte Laune: Auch Protestplakate waren zu sehen (hinten).

Von da an geht es über die Familienpolitik zur Arbeitslosigkeit bis hin zu den Pflegeberufen in Deutschland. Für Merkel sind alle Menschen, die in der Pflege tätig sind, „wahre Helden“. Danach kommt die Kanzlerin auf die innere Sicherheit zu sprechen. Ihrer Meinung nach ist die CDU die Partei, die sich am entschiedensten für dafür einsetzt. Zum Thema Flüchtlingspolitik betont die Kanzlerin: „2015 soll und wird sich nicht wiederholen.“ Das erreiche man durch die Bestrafung der Schlepper und Schleuser sowie das Abkommen mit der Türkei. Trotz der Differenzen sei dies nämlich „der Weg“. Denn durch die Unterstützung mit europäischem Geld müssten die Flüchtlinge nicht mehr ihr Leben riskieren, um nach Europa zu gelangen.

Für Merkel sind zwei Punkte an Deutschland besonders einzigartig. Zum einen vereine „Einigkeit, Recht und Freiheit“, trotzdem ist es ein Land der Individualität. Als Freiburger sei man ganz anders als in Vorpommern und noch stolz darauf. Umgekehrt genauso. Die Globalisierung funktioniert in Deutschland aufgrund der Individualität. „Uns wirft so schnell nichts aus der Bahn.“ Die zweite Besonderheit seien die vielen Ehrenamtlichen. Das zeige, dass Menschen für Menschen einstehen und „das macht unser Leben stark“.

Einigkeit, Recht und Freiheit: Merkel und ihre Kollegen schmettern die Nationalhymne.

Die Kanzlerin hat als Ziel „Deutschland lebens- und liebenswert zu machen“. Es brauche zur Zeit keine Experimente, sondern Stabilität und Sicherheit. Sie spricht sich für eine Zweitstimme an die CDU aus, da Merkel die „wunderbare, verantwortungsvolle“ Arbeit gern weitermachen würde. Zum Schluss wird es patriotisch: „Mutti“ singt zusammen mit den Kollegen und dem Publikum die deutsche Nationalhymne.

Text und Bilder: Annkathrin Pohl