Schwarmstadt, Schnäppchen und Spielräume: Immobilienmarkt Südbaden STADTGEPLAUDER | 05.04.2016

Der Siedlungsdruck in Südbaden wird immer größer: Bauland- und Immobilienpreise schießen dabei nicht nur in Freiburg in die Höhe, auch von Süden her kommt neuer Druck, weil Schweizer und Pendler im Grenzgebiet kräftig einkaufen. Es regiert ein Verkäufermarkt. Die Forderungen nach einer regional abgestimmten Siedlungspolitik werden lauter.
 
Neubau-Areal in Weil am Rhein: Die Grenzstadt setzt auf Innenentwicklung. Einen Wettbewerb für eine Fläche hat die Stuckert Wohnbau gewonnen.
 
Angebot und Nachfrage regeln den Preis, lautet eine uralte Regel der Ökonomie. Und sie gelte – darauf legen Wirtschaftswissenschaftler wert – für alles, was auf dem freien Markt gehandelt wird. Also auch für Immobilien. Freiburg sei eine „Schwarmstadt“, sagt Oberbürgermeister Dieter Salomon mit leisem Stolz, jeder schwärme von ihr und wolle hier leben. Tatsächlich ist die Breisgau-Metropole seit Mai 1987 bis Juni 2015 um rund 45.000 auf 222.343 Einwohner gewachsen. Allein in den vergangenen vier Jahren zogen 12.671 Menschen an die Dreisam, obwohl die Zensuserhebung 2011 praktisch bei allen Kommunen die Einwohnerzahl deutlich nach unten korrigierte.
 
Die Zuzügler lösten eine entsprechende Nachfrage aus und drehten somit indirekt auch an der Preisschraube: Kostete der Quadratmeter in einer Eigentumswohnung 2009 noch rund 3000 Euro, waren es im vergangenen Jahr schon mehr als 4500. Ein weiterer Hauptverdächtiger bei der Ursachenforschung ist der Mangel an Neubauten: 2014 wurden ganze 15 Bauplätze für Ein- oder Zweifamilienhäuser ausgewiesen und nur 11 für den Geschosswohnungsbau. Und weil laut städtischem Gutachterausschuss neue Reiheneck- oder Doppelhäuser in Freiburg heute schon bis zu 645.000 Euro kosten (in Günterstal kosten freie Reihenhäuser aktuell sogar rund 800.000), weichen die Menschen vermehrt ins Umland aus, etwa nach Emmendingen oder nach Denzlingen.
 
In Denzlingen lagen die Bodenpreise 2006 zwischen 220 und 510 Euro, sie kletterten bis 2015 um gut 17 Prozent auf 265 und 590 Euro. Noch deutlicher dreht sich die Preisspirale beim Neubau: Nach Angaben aus dem Rathaus kostete 2005 ein Quadratmeter im Geschosswohnungsbau 1193 Euro, 2010 schon 2595 Euro, 2015 dann stolze 3140 Euro. Auch der Gebrauchtmarkt zog nach: Die Preise legten zwischen 2005 und 2015 um knapp 44 Prozent zu – von 1518 auf 2185 Euro.
 
In Emmendingen ist die Lage ähnlich: Die Baulandpreise legten um fast 20 Prozent zu. Die Quadratmeterpreise kletterten von 2500 auf 3300 Euro (Neubau) und von 1250 auf 1400 Euro (Bestand). Parallel stiegen auch die Einwohnerzahlen: Denzlingen erlebte binnen elf Jahren (2004 bis 2014) ein erstaunliches Wachstum um 60 Prozent auf 13.406 Bürger, Emmendingen wuchs von 2006 bis Ende 2014 um knapp 1000 Bürger auf nun 26.872. Es gibt sehr viele darunter, die sich Freiburg nicht (mehr) leisten konnten. Thomas Schmidt, Geschäftsführer der Immobiliengesellschaft der Sparkasse Freiburg, bringt es auf den Punkt: „In den vergangenen fünf, sechs Jahren hat sich der Immobilienmarkt in der Region zu einem ausgeprägten Verkäufermarkt gewandelt. An der Spitze steht Freiburg, einer der teuersten Wohnstandorte in Deutschland.“ Hier werde es selbst für Gutverdiener immer schwerer, die aufgerufenen Preise zu bezahlen, trotz günstiger Bauzinsen. Hauptnachfrager seien derzeit Kapitalanleger und solvente Mieter, die ins Eigentum wechseln wollen: „Familien sind vermehrt auf Standorte im Umland angewiesen.“
 
So sind auch Bad Krozingen, Staufen, Müllheim und andere in den Fokus geraten. Schallstadts Bürgermeister Jörg Czybulka etwa erzählt, dass bei den von der Gemeinde ausgewiesenen Wohngebieten sehr viele Freiburger nachfragten – was zu Unmut unter den Schallstadter Bürgern führe. Gleiches berichtet der Marcher Bürgermeister Helmut Mursa. Das Neubaugebiet „Neumatten“ in Hugstetten wurde von Freiburgern als „Schnäppchen“ angesehen, wohingegen Marcher Bürger die hohen Preise monierten. Dennoch: Im Umland sind die Preise, so Thomas Schmidt, etwa 1000 Euro unter denen in Freiburg.
 
Der Siedlungsdruck strahlt mittlerweile bis nach Müllheim. „Man ist von hier mit der Bahn in 21 Minuten am Freiburger Hauptbahnhof“, so Rathaus-Chefin Astrid Siemes-Knoblich. Die Bevölkerung in Müllheim habe sich „sehr dynamisch entwickelt“. Das gilt aber nur für die allerjüngste Vergangenheit: Ende 2005 gab es 18.199 Einwohner, zur Jahresmitte 2015 dann 18.610. In der zweiten Jahreshälfte aber zog es an, die 19.000er-Einwohnermarke ist nun passiert. Eine solche Beschleunigung habe man nicht erwartet, räumt Siemes-Knoblich ein, sie rechnet bis 2020 mit mindestens 1000 Neubürgern: „Bei uns treffen sich die Wellen aus Freiburg und Basel.“ Für Christian Haberberg, Geschäftsführer von Stauss & Partner in Freiburg und Bad Krozingen, liegt das Markgräflerland „strategisch gut“ und profitiere von der starken Nachfrage und dem knappen Immobilienangebot in Freiburg und im Grenzgebiet bei Lörrach: „Viele Interessenten kaufen verstärkt im Markgräflerland ihre Wunschimmobilie, die dort noch vorhanden und erschwinglicher sind als in den benachbarten Großstädten.“
 
Auch Michaela Lehmann vom Markgräfler Immobilien-Büro Ponkratz & Lehmann OHG, sieht eine stärkere Nachfrage: „Die instabile Lage auf dem Aktienmarkt lässt die Zahl der Kapitalanleger wachsen. Zu bemerken ist eine erhöhte Nachfrage aus der Schweiz und von Pendlern. Die Folge ist ein Käuferüberschuss, was die Preise in die Höhe steigen lässt.“
 
Auch in Lörrach stiegen die Baulandpreise seit 2005 um gut 21 Prozent auf jetzt durchschnittlich 377 Euro. Der Neubau legte im selben Zeitraum von 2137 auf 3300 Euro zu, der Altbau von 1222 auf 1626 Euro. Anders als andernorts ist die Stadt aber zuletzt nicht stark gewachsen (2005: 46.835 Einwohner, 2015: 48.677.)
 
Siemes-Knoblich regt an, dass im kommenden Regionalplan größere Spielräume für die Ausweisung von Neubaugebieten eingeräumt und Bauberechtigungen auch zwischen Kommunen getauscht werden können. Das findet auch Steffen Adams, Sprecher im Lörracher Rathaus. Er plädiert für eine konzertierte Vorgehensweise, denn „die Entwicklung um Müllheim und Neuenburg zeigt deutlich auf, dass eine abgestimmte Siedlungsentwicklung über den Regionalplan hinaus zunehmend an Bedeutung gewinnen wird.“
 
Text: Stefan Pawellek / Visualisierung: © Stuckert Wohnbau