Seinen eigenen Weg gehen: Frauen und Technik passen sehr wohl zusammen STADTGEPLAUDER | 11.07.2017

Mädchen haben im Durchschnitt bessere Schulnoten als Jungen, machen häufiger Abitur und werden von vielen Unternehmen umworben. Trotzdem bleiben viele technische Berufe in Deutschland eine Männerdomäne. Dabei dürfte der Bedarf an Softwareentwicklern, Informatikern, Elektrotechnikern und anderen technischen Jobs in der digitalen Produktions- und Arbeitswelt künftig noch deutlich steigen. Höchste Zeit also, alte Rollenklischees über Bord zu werfen, sagen Experten. Bei Ausbildungsbörsen oder der Agentur für Arbeit können junge Frauen ihre Fühler auch in technische Branchen ausstrecken und Karrierechancen ausloten.

Schon seit rund 15 Jahren buhlen Unternehmen und Wirtschaftsverbände beim jährlichen Girls’ Day und bei vielen anderen Aktionen um den weiblichen Nachwuchs. Zuletzt entschieden sich zwar etwas mehr junge Frauen für ein technisch-naturwissenschaftliches Studium, doch vor allem in vielen technischen Ausbildungsberufen herrscht nach wie vor Frauenmangel, wie etwa aus der Studie „MINT Nachwuchsbarometer“ hervorgeht. Das liegt wohl zuallererst an den Hürden in den Köpfen.

Schon in der Schulzeit wird Mädchen der Studie zufolge in der Familie und im Freundeskreis fünf Mal häufiger von einer technischen Ausbildung abgeraten – mit entsprechenden Folgen: Viele Mädchen und junge Frauen trauen sich gar nicht erst zu, in technischen Disziplinen beruflich Fuß zu fassen. Mehr als ein Drittel der Schülerinnen, die sich gegen eine solche Ausbildung entschieden, gaben als Grund die „Entmutigung durch ihr soziales Umfeld“ an.

Und auch bei den gleichaltrigen Kollegen können junge Frauen nicht immer auf Unterstützung hoffen: Gut ein Fünftel der männlichen Azubis in technischen Berufen glaubt, dass Frauen das Verständnis, Geschick und die körperlichen Voraussetzungen dafür fehlten. Das ist aber Unsinn, weiß man beispielsweise beim Elektrokonzern Siemens, der unter anderem an Schulen aktiv um junge Frauen wirbt. Andererseits wird auch Mädchen und Frauen, die das nötige Interesse und die Begabung mitbringen, der Weg nicht überall geebnet.

Sabine Muschik etwa musste sich während ihrer bisherigen Laufbahn auch mit Vorurteilen auseinandersetzen – allerdings nicht im Elternhaus: „Ich habe das Glück gehabt, dass mich meine Eltern seit jeher unterstützt haben“, sagt die Maschinenbau-Ingenieurin mit Doktortitel, die Frauen Mut machen will, dranzubleiben. Schon in der Schule habe es teils an Förderung seitens der Lehrer gemangelt, und auch im Studium musste sie sich mit einer guten Portion Eigenmotivation durchbeißen, sagt die 34-Jährige. Den Altherrencharme des Werksmeisters etwa, der sie beim Grundpraktikum in Studienzeiten fragte, ob er „beim Bohrmaschine-Halten helfen soll“, empfand sie nicht gerade als hilfreich. „Ich hatte Kolleginnen, die wurden dadurch schon ganz schön verunsichert. Man ist aufgefallen und wurde zum Teil nicht ernst genommen.“

Anderen Frauen, die sich ebenfalls mit dem Gedanken tragen, einen technischen Beruf zu ergreifen, rät Sabine Muschik, mit sich selbst ein wenig Geduld zu haben und herauszufinden, was sie wirklich interessiert. „Man sollte Dinge mal ausprobieren, auch wenn andere abraten, und seinen eigenen Weg gehen.“

Ausbildungsexperte Michael Assenmacher vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag sieht auch Ansatzpunkte bei Digitalisierung und demografischer Entwicklung. Weil die Schülerzahlen sinken und der Trend zum Studium anhält, müssen sich die Unternehmen künftig noch stärker auch um Mädchen und junge Frauen als Fach- und Führungskräfte von morgen bemühen, sagt er. Zugleich würden digitale Lösungen in immer mehr Lebensbereichen erfahrbar wie beim intelligenten und vernetzten Zuhause oder bei der Gebäudeautomatisierung. Dadurch dürfte auch die Anziehungskraft der Berufe steigen, so der Experte.

Text: Christine Schulze (dpa)/BZ, Fotos: berufe.net/arbeitsagentur.de & Bosch