Stadtrat Sergio Schmidt: „Jeder zickt irgendwo rum“ STADTGEPLAUDER | 10.02.2016

Rathaus, Skatepark, Poetry Slam: Sergio Schmidt tanzt in Freiburg auf vielen Hochzeiten. Seit 2014 ist der 20-jährige Germanistik- und Philosophie-Student für „Junges Freiburg“ im Gemeinderat. Dort hat er sich auch für Freiburgs neuen Skatepark am Dietenbach stark gemacht. Außerdem hat der Hobby-Lyriker schon im Freiburger Rathaus geslammt. Die chilli-Autorin Laura Bärtle hat ihn zum Interview getroffen.

Stadtrat Sergio Schmidt beim Interview

Lässig: Sergio Schmidt beim chilli-Interview mit Laura Bärtle.

chilli: Sergio, du bist in Freiburg an vielen Fronten aktiv. Wie kriegst du das alles unter einen Hut?

Sergio: Wenig schlafen! Nein, ich bin ein eher aktiver Mensch und habe mich daran gewöhnt, ständig etwas zu tun zu haben. Wenn ich dann mal nicht unterwegs bin, fehlt es mir sogar.

chilli: Seit Mai hat Freiburg einen Skatepark. Du hast dich dafür engagiert und skatest selbst. Bisher wurde nur einer von vier Teilen der Anlage gebaut. Du hast das als „Schlag ins Gesicht“ bezeichnet. Warum?

Sergio: Es gibt seit über zehn Jahren Beteiligung von Skatern an diesem Park. Für Jugendbeteiligung ist das ziemlich lange. Mit Jugendbeteiligung ist das meistens so: Über ein Jahr funktioniert alles super und dann bricht sie ab, weil junge Leute meistens eher schnelle Ergebnisse wollen. Außerdem haben die Skater bei jedem Arbeitsschritt im Park mitgeholfen. Bei Design und Bau zum Beispiel. Es wurde geradegebogen, was andere eher suboptimal gemacht haben. Auch das Geld für den Bau war nicht vom städtischen Haushalt – es ist einfach unfair, dass wir uns die Mühe machen und dann passiert so etwas.

chilli: Im Sommer hast du den Polit & Poetry-Slam im Rathaus moderiert. Sind deine Texte politisch?

Sergio: Fast alle, aber manche sind eher emotional – wobei emotional immer so schmierig klingt. Viele gehen auch in Richtung Philosophie und Psychologie. Im Rathaus sollte sowieso mehr geslammt werden. Es ist gut gegen den ganzen Staub da drin.

chilli: Wie ist es so als einer der Jüngsten im Gemeinderat?

Sergio: Ich habe eine coole Crew dabei, das sind nicht nur Arbeitskollegen, sondern auch Freunde. Wir müssen mit unseren jungen Ansichten viel dafür tun, ernst genommen zu werden. Als Junges Freiburg angefangen hat, waren die meisten ziemlich skeptisch. Dann haben sie aber gemerkt: „Ups, die wissen, was sie tun!“

Stadtrat Sergio Schmidt beim Skaten

Aktiv: Sergio Schmidt skatet nicht nur am Freiburger Dietenbach, er setzt sich auch für eine Erweiterung der Anlage ein.

chilli: Was gefällt dir daran, Stadtrat zu sein?

Sergio: Viele Sachen. Dass ich meine Wut irgendwo ablassen kann, sozusagen das verändern kann, was mich stört. Es ist frustrierend, wenn man nichts an den Dingen ändern kann. So kann man es zumindest versuchen. Einfach wahrgenommen zu werden und sehen zu können, dass man eine Wirkung hat, gefällt mir.

chilli: Gibt es auch etwas, das dir gar nicht gefällt?

Sergio: Zum einen überhaupt, wie viele miteinander umgehen und diese Scheinwelt. Es gibt nichts, was keinen doppelten Boden hat. Es ist im Prinzip ein Klassenzimmer, nur dass alle zugleich Lehrer und Schüler sind. Jeder will den anderen belehren und zickt irgendwo rum, denkt aber gleichzeitig, die Stimme der Vernunft zu sein. Ehrlich gesagt ist es nicht meine Welt.

chilli: Wenn du die Möglichkeit hättest, allen Jugendlichen der Welt etwas zu sagen, was wäre es?

Sergio: Hört bessere Musik.

chilli: Beende die zwei Sätze für uns: Freiburg ist die geilste Stadt, weil …?

Sergio: Weil man alles haben kann und auch alles kennen kann.

chilli: Freiburg nervt auch mal, weil …?

Sergio: es nicht ansatzweise so frei, liberal und aufgeschlossen ist, wie Freiburg sagt – Freiburg ist viel spießiger, als es sich gibt.

Hinweis: Der Text ist erstmalig im Freiburger Schülermagazin f79 veröffentlicht worden.

Interview: Laura Bärtle; Fotos: f79, Markus Schillberg