Stress ums neue Stadion: Am Flugplatz brodelt’s mächtig hinter den Kulissen STADTGEPLAUDER | 14.11.2016

Im August 2019 soll der Ball rollen in der neuen Arena des SC Freiburg am Freiburger Flugplatz. „Das müssen wir hinkriegen, jeder Monat später kostet uns Geld“, sagte SC-Präsident Fritz Keller bei der jüngsten Mitgliederversammlung. „Alles läuft nach Plan“, hatte Oberbürgermeister Dieter Salomon wenige Tage zuvor erklärt. Doch hinter den Kulissen geht’s hitzig zu: Die Fallschirmspringer müssen ihre Koffer packen. Die Segelflieger sehen sich vor dem Aus und hingehalten. Dabei sagt Baubürgermeister Martin Haag: „Sie können bleiben.“ Zu alldem will die Bürgerinitiative Pro Wolfswinkel von Planungsfehlern wissen, und der Verein Akaflieg – mit einem unkündbaren Vertrag bis 2026 ausgestattet – einer für den Stadionbau notwendigen Entwidmung von Flächen nicht zustimmen. Hinter der harmonischen Fassade herrscht ein turbulentes Tohuwabohu.

So sieht die aktuelle Planung aus: Zankapfel aktuell ist die geplante Verlagerung der Segelflieger-Piste (die in der Grafik unterm Stadion und den Trainingsplätzen liegt) auf die andere Seite der Landebahn zwischen Piste und Rollfeld. Ob das genehmigungsfähig wäre, ist noch offen.

So sieht die aktuelle Planung aus: Zankapfel aktuell ist die Verlagerung der Segelflieger-Piste (südlich von Stadion und Trainingsplätzen) auf die andere Seite der Landebahn zwischen Piste und Rollfeld. Ob das genehmigungsfähig wäre, ist noch offen.

Kaum einer hat den Flugplatz besser im Blick als Helmut Lang-Dahlke. Auf seinem Balkon hat der Vorsitzende des Breisgauvereins für Fallschirmsport den Landeplatz direkt vor sich. Noch. Denn in wenigen Monaten ist sein Vereinsgelände in Freiburg Geschichte. „Wir müssen weg“, sagt der Mann mit dem Schnauzer. Wohl zum Sommer. Ab dann wird in Lahr gesprungen, dem neuen Standort. Dort sei man fremd, eine bittere Pille. Zumal man schon 2009 aus dem Vereinsheim vertrieben worden sei wegen der Wagenburgler am Eselswinkel.

Baubürgermeister Martin Haag will den Verein für den Wegzug entschädigen: „Wir haben da auch eine Zahl, aber die werde ich noch nicht öffentlich nennen.“ Dem Vernehmen nach will das Rathaus dem Verein seinen Hangar abkaufen und den Umzug mitfinanzieren.

Für Lang-Dahlke hat das Ganze Methode. Er glaubt, dass die Stadtspitze den Flugplatz langfristig loswerden will. Als Erstes müsse sein Verein daran glauben. Dann wohl die Segelflieger. „Wir wollen, dass die Segelflieger bleiben“, hatte Haag indes schon Ende Oktober bei einer Pressekonferenz erklärt. Die Gespräche im Hintergrund seien sehr konstruktiv.

Nur fliegen ist schöner: Segelflieger und Fallschirmspringer haben eine lange Tradition in Feiburg. Die Fallschirmspringer müssen nach Lahr umsiedeln.

Abschied: Die Freiburger Fallschirmspringer genießen ihre letzten Flüge über der Stadt.

Für die Segelflieger ist das eine Farce. „Ab Juni 2017 sind wir hier wohl Geschichte“, sagt Jan Vogt dem chilli beim Interview in der Vereinswerkstatt. Er ist Pressesprecher des Breisgauvereins für Segelflug, dem größten der drei Segelflugvereine am Flugplatz. „Aktuell rechnen alle mit dem Schlimmsten. Wir gehen davon aus, dass ein aktiver Segelflug ab Mitte 2017 nicht mehr möglich ist“, sagt Vogt.

„Das ist starker Tobak“, entgegnet Haag im Gespräch mit dem chilli, „wir haben eine gute Lösung gefunden, für die wir sogar Geld in die Hand nehmen würden, um eine neue Landemöglichkeit zwischen der Hauptlandebahn und dem Rollfeld herzustellen“. Zu diesem Angebot müssten die Vereine nur noch „ja“ sagen. Der Ball liege bei den Segelfliegern, diese sollten die Anstrengungen der Stadt anerkennen.

„Uns liegt kein Vorschlag vor“, widerspricht Jan Vogt. „Wenn da was wäre, würden wir sofort unterschreiben.“ Jede Lösung sei schließlich besser als keine. Es sei zwar ein Konzept im Raum, das einen Minimalbetrieb ermöglichen soll, bis heute sei jedoch nicht einmal dessen Genehmigungsfähigkeit bestätigt worden. Schon vor einigen Jahren sei ein ähnlicher Vorschlag nicht genehmigt worden.

Die Segelflieger haben dem Rathaus auch einen eigenen Vorschlag unterbreitet. Der sieht vor, den Grasstreifen zwischen Roll- und Landefeld zu verbreitern. Sonst sei man eingequetscht.

Sein Verein habe zwar in Kirchzarten einen zweiten Standort. Dort kann aber nur im Sommer und nur mit einer Winde gestartet werden. In Freiburg kann man sich stattdessen ganzjährig mit einem Motorflugzeug in die Luft ziehen lassen. Für die Ausbildung junger Flieger und für Wettkämpfe sei das Grundvoraussetzung. In Kirchzarten unmöglich.

Für Vogt hat der Baubürgermeister zwei Gesichter. Der einen Seite erzähle er dies, der anderen das. Die guten Nachrichten lese man immer nur in der Presse: „Leider lässt die Informationspolitik zu wünschen übrig.“ Wundern tut ihn mittlerweile nichts mehr. Kurioserweise sieht Haag das ähnlich. Die Fronten sind verhärtet.

Den Segelfliegern hat das Rathaus eigenen Angaben zufolge ein Angebot gemacht. Dem widerspricht Jan Vogt.

Jan Vogt vom Breisgauverein für Segelflug in der Vereinswerkstatt. Der Pressesprecher glaubt nicht an eine Zukunft in Freiburg.

Auf Unverständnis stößt auch die aktuellste Aktivität der Flugplatz Freiburg-Breisgau GmbH. Die städtische Tochter muss die Grasbahnen im Westen des Flugplatzes für den Stadionbau zunächst entwidmen. Genau dort landen derzeit Segelflieger und Fallschirmspringer. Die Unterlagen zur Entwidmung lagen bis zum 10. November öffentlich aus, bis zum 24. können Beschwerden eingereicht werden.

Empört über die Pläne ist auch Christoph Maschowski vom Verein Akaflieg Freiburg. „Bürgermeister Martin Haag will die Segelflugpisten schließen, ohne dass vorher ein adäquater Ersatz geschaffen worden ist.“ Bis Ende Juli 2017 soll die Planung abgeschlossen sein. „Erst danach will man sich um einen möglichen Ersatz bemühen“, ist er überzeugt.

Die Akademische Fliegergruppe sei vor die Entscheidung gestellt worden, der Entwidmung zuzustimmen oder auf den Segelflug in Freiburg zu verzichten. Eine Entwidmung sei jedoch nur mit Zustimmung beider Vertragspartner möglich. „Wir werden auf Erfüllung unseres Pachtvertrages bestehen, der die Nutzung des Flugplatzes für den Segelflug beinhaltet“, betont Maschowski. Dieser Vertrag läuft bis zum 31. Dezember 2026, wie Unterlagen der Flugplatz GmbH bestätigen. Und: Er ist unkündbar. Die Verträge der Fallschirmspringer, des Breisgauvereins für Segelflug und des Sportfliegerclubs C. F. Meerwein können hingegen gegen Entschädigung aufgelöst werden.

Für Maschowski ist die Sache klar: „Hier wird ganz offensichtlich versucht, sich aus den Verpflichtungen herauszustehlen, die sich durch den Pachtvertrag zwischen uns und der Stadt Freiburg ergeben.“

Zur Ersatzpiste zwischen Roll- und Landebahn habe sein Verein deutliche Bedenken, sagt Maschowski. Es gäbe dazu eine negative Einschätzung der Flugsicherheitsbehörde EASA. Eine vorzeitige Zustimmung sei vom Akaflieg daher nicht zu bekommen. Zumal es auch keine Ausweichmöglichkeiten gäbe. Mit der Schließung der Graspisten in Freiburg würde „unser Verein sterben“ und jahrzehntelange ehrenamtliche Arbeit zunichte gemacht.

Frank Uekermann kann die vielstimmige Kritik nicht teilen. Der Leiter des städtischen Garten- und Tiefbauamtes hat im Juli den Segelfliegern die Variante vorgestellt, zwischen Roll- und Landebahn zu starten. Diesen Vorschlag und den der Segelflieger mit einer deutlich breiteren Piste will er Ende November in der Aufsichtsratssitzung der Flugplatz GmbH einbringen. Dort dürfte der städtische Vorschlag leicht eine Mehrheit bekommen. Daraufhin entscheide die Luftfahrtbehörde des Regierungspräsidiums, dann die Flugsicherung des Bundes, so Uekermann. Er ist optimistisch: Mitte 2017 soll den Segelfliegern ein verlustfreier Übergang auf eine neue Landefläche geboten werden.

Flugplatz Freiburg

Es brodelt: Rechts der Landebahn soll das Stadion gebaut werden. Fallschirmspringer und Segelflieger müssen weichen.

Maschowski glaubt daran nicht. Er ist empört über die „Falschaussagen“ der jüngsten Stadion-Pressemitteilung. „In der wird behauptet, alle Gutachten sprächen für die Vereinbarkeit des Stadions mit dem Flugbetrieb, der Ökologie und der Anwohnerschaft.“ Das sei nicht die Wahrheit. Zum Beispiel werde das Gutachten über Flugsicherheit unter Verschluss gehalten, obwohl es angeblich keine negativen Auswirkungen bescheinige. Damit steht er nicht alleine da: Auch Uschi Jautz, Sprecherin der Bürgerinitiative Pro Wolfswinkel, schlägt in diese Kerbe: „Fakt ist, dass alle Gutachten noch ausstehen und die Stadt wie auch wir wissen, wo sie bereits Fehler gemacht haben.“ Entgegen der Verlautbarungen sei noch lange nichts in trockenen Tüchern.

Man nehme die Gegner ernst, sagt Haag. Aber: „Bislang hat sich alles Geunke nicht bewahrheitet.“ SC-Finanzvorstand Oliver Leki sagte bei der Mitgliederversammlung: „Wir sind so gut in der Planung, dass die Wahrscheinlichkeit, erfolgreich zu klagen, nicht sehr groß ist.“ Dass es von allen Gutachtern grünes Licht gibt, hatte Salomon betont.

Relativ gelassen sieht das mittlerweile Udo Harter, Leiter der Flugschule FFH Aviation Training mit Hauptsitz am Flugplatz. Noch vor rund eineinhalb Jahren hatte er sich eine Klage gegen die Stadionpläne vorbehalten. Mittlerweile sagt er: „Ich mache mir keine Sorgen. Ich habe Verträge bis 2031. Die werde ich nicht nur erfüllen, sondern übererfüllen.“ Die Gutachter seien sich uneins. Kein Wunder, schließlich gebe es weltweit keine vergleichbare Situation: ein so großes Bauwerk so nahe an einer Landebahn. „Das muss erst mal jemand verantworten und genehmigen“, sagt Harter.

Ob der SC Freiburg im August 2019 sein erstes Heimspiel der Saison am Flugplatz austrägt, ist fraglich. Wenn Salomon in der Pressekonferenz Ende Oktober sagt, dass alle Wogen geglättet seien, muss man dem Mann ausgeprägten Optimismus unterstellen.

Text: Till Neumann und Lars Bargmann / Visualisierung: AS&P/Stadt Freiburg – Grafik: Cedric Wojan / Fotos: © tln; Sven Lissel & Breisgauverein für Fallschirmsport