Wirtschaftsverband WVIB wirbt für die Werte der Demokratie STADTGEPLAUDER | 28.05.2017

Mit seiner ersten politischen Kampagne will der Wirtschaftsverband Industrieller Unternehmen in Baden (WVIB) ein Zeichen setzen. Unter der Überschrift „Einigkeit. Recht. Freiheit.“ wirbt der südbadische Verband für die Grundwerte der Demokratie und der Marktwirtschaft. Es sei einfach an der Zeit gewesen, erklärte Verbands-Hauptgeschäftsführer Christoph Münzer unlängst auf einer Pressekonferenz in Freiburg.

Gemeinsam für Werte: Freiburgs Oberbürgermeister Dieter Salomon, SC-Präsident Fritz Keller und WVIB-Präsident Klaus Endress beim Trikottausch.

In den 71 Jahren seiner Geschichte hat sich der WVIB nie in dieser Deutlichkeit politisch geäußert. Aber Münzer stellt klar: „Die Umstände erfordern es.“ Der WVIB vertritt eine Wirtschaftsmacht aus der Region, beschreibt sich gerne als „Schwarzwald AG“. Gut 1000 Unternehmen sind Mitglied im Verband. Zusammen beschäftigen sie mehr als 200.000 Menschen.

Münzer betont, dass die Kampagne eine staatspolitische, keine parteipolitische Aussage habe. Eine Empfehlung für die Bundestagswahl am 24. September sei weder in der aktuellen Kampagne enthalten noch für die Zukunft vorgesehen. Dafür ist das Unternehmer-Spektrum dann doch zu vielfältig. Obschon sich die WVIB-Gremien wahrscheinlich auf eine gängige Partei einigen könnten, die man nicht wählen sollte.

Bei der Pressekonferenz richtet sich die Kritik jedoch vor allem auf Akteure aus dem Ausland. Der US-Präsident Donald Trump steht dabei in der ersten Reihe, doch auch der türkische Staatspräsident Erdogan und die rechtsextreme Französin Marine LePen bekommen einen Seitenhieb verpasst.

„Wir wollen uns einfach als Unternehmer zeigen“, sagt Bernd Neugart, geschäftsführender Gesellschafter des Getriebeherstellers Neugart aus Kippenheim. Nur so sei erkennbar, dass auch Unternehmer eine Haltung haben. Auch Neugart tritt als sogenanntes Testimonial in einer Anzeige auf. Seine Aussage lautet: Deutschland ist ein tolerantes Land für alle, die den Rechtsstaat respektieren. Egal ob Deutsche oder Ausländer.

WVIB-Präsident Klaus Endress hatte die Kampagne mit seiner Rede auf der Hauptversammlung im Januar angestoßen. Er hatte sich damals sorgenvoll über den weltweit zunehmenden Populismus geäußert. So war die Idee zur Kampagne entstanden, die nun fertig ist. Mit Blick auf den Nationalismus und Protektionismus, den der US-Präsident Trump anstrebt, ätzt Endress: „Wenn man die Mauern und Zäune wieder hochzieht, lebt man in einem Schrebergarten.“ Er glaube aber vielmehr daran, dass jeder das machen solle, was er am besten könne. Das gelte nicht nur für Individuen, sondern auch für Wirtschaftsmärkte. Es sei dann sinnvoller, mit diesen Gütern zu handeln, als das Wissen in einen anderen Markt zu bringen, wo es vielleicht nicht funktioniert.

Christoph Münzer: »Die Umstände erfordern eine politische Kampagne.«

Die Unternehmer wollen nun die Werte Einigkeit, Recht und Freiheit auch verstärkt in ihren Betrieben plakatieren. Der WVIB hat dafür Werbemittel geschaffen, die die Unternehmen über eine eigene Website bestellen können. Auch bei den rund 1000 Veranstaltungen, die der WVIB jährlich durchführt, sollten die Werte stets im Fokus sein. Die Unternehmer erhoffen sich nicht nur einen positiven Effekt nach außen, sondern auch innerhalb ihrer Betriebe.

Doch welchen Wert hat eine solche Aktion überhaupt? Was erreichen die Unternehmer damit, dass sie in regionalen Zeitungen Anzeigen mit ihrem Konterfei schalten? „Zunächst finde ich es sehr gut, dass sich Unternehmer und ein Verband zu den Themen Grundwerte und europäische Idee positionieren“, sagt der Freiburger Werber Bernd Feyka. „Das kann in einer Zeit mit zunehmenden Tendenzen zu populistischen Gruppierungen nur sinnvoll sein.“

Bei der handwerklichen Ausführung der Kampagne sieht Feyka es jedoch kritischer. „Leider deutet das Zwischenergebnis nach einem Monat an, dass die Kampagne nicht bis zu Ende gedacht wurde – bis dato gibt es lediglich 400 Unterstützer auf der Website und 150 Fans auf Facebook. Da sollte bei über 200.000 Arbeitsplätzen der Schwarzwald AG doch wesentlich mehr drin sein, vor allem im Lichte des koordinierten PR-Orchesters.“

Zudem kritisiert er, dass die Werbe-Offensive viele Fragen offen lasse. Was genau will der WVIB mit der Botschaft erreichen? Welchen Wert hat die Unterstützung der Unternehmer oder der einzelnen Unterzeichner? Und vor allem: Wie geht’s weiter?

Der WVIB hat die Kampagne übrigens ohne die Unterstützung einer Agentur realisiert. Lediglich ein Fotograf setzte Mitarbeiter eines Industrieunternehmens mit einem Banner in Szene. Alles andere wurde komplett eigenständig umgesetzt.

Text: Philipp Peters / Fotos: © WVIB