Wörter wie warmes Wasser: Start-up Jicki setzt auf Vokabelduschen STADTGEPLAUDER | 24.03.2017

Lernen verbinden viele mit Stress, Anstrengung, Disziplin. Das will Helge Straube ändern. Der Freiburger Jungunternehmer setzt auf entspanntes Pauken – mit Musik und Meditation. Sein Start-up Jicki bietet sogenannte Vokabelduschen an, um Sprachen zu lernen. Die gibt’s jetzt auch im ICE.

Ganz ohne Wasser: Für die Vokabelduschen braucht es nicht viel.

Ganz ohne Wasser: Für die Vokabelduschen braucht es nicht viel.

„Im Bildungssystem läuft einiges falsch“, sagt Helge Straube. Schule trainiere Begeisterung systematisch ab. Da würden eher Fässer zum Überlaufen gebracht als Flammen zum Lodern. Das Lernfeuer will der 26-Jährige ganz anders entfachen: mit Musik, Entschleunigung und Berieselung.

Sein Start-up Jicki bietet Sprachkurse für Englisch, Französisch, Spanisch und Italienisch. Auch Arabisch und Deutsch für arabisch Sprechende hat er mittlerweile im Angebot. Die Lernlektionen nennt er Vokabelduschen. Wasser braucht man nicht, aber ein mobiles Endgerät. Die Kopfhörer werden quasi zum Duschkopf.

Die Einstiegslektionen gibt’s kostenlos auf jicki.de oder YouTube. „Machen Sie es sich jetzt einmal ganz bequem und lockern Sie zu enge Kleidungsstücke“, spricht eine tiefe Männerstimme in der Probelektion „Vokabeldusche Französisch Basis“. Man soll tief ein- und ausatmen und könne die Augen schließen. Dann geht’s los: „Bonjour – Guten Tag“. Die Wörter werden vorgesagt, man spricht nach.

Helge Straube hat jicki gegründet

Jicki-Gründer: Helge Straube an seinem Arbeitsplatz im Grünhof

Auf die Idee zu Jicki kam Straube im BWL-Studium. Das viele Auswendiglernen fand er anstrengend. Das muss anders gehen, sagte er sich. Über seinen Vater, der einen Verlag hatte, stieß er auf die Methode Superlearning. Die setzt auf Entspannung, Motivation und pauken ohne Lehrer.

Endlich anders lernen, lautet das Motto. Im Hintergrund der Lektionen läuft Barockmusik. „Langsamer ist man schneller“, sagt Straube. Das sei wie beim Sport. Ein nervöser Basketballer habe Mühe, den Ball zu fangen. Wer entspannt ist, reagiere besser. „Die Vokabeln wirken ohne Anspruch, sie festzuhalten, das Wort geht ins Unterbewusstsein“, sagt der Jicki-Chef. Online ist die Seite seit Anfang 2016.  Drei Teilzeitbeschäftigte ergänzen das Team im Co-Working-Space Grünhof. Rund 1200 Kunden hat das Unternehmen bisher, berichtet Straube.

Einer davon ist Boris Ritapal. Er hat mit Jicki sein Französisch aufgefrischt: „Das sitzt jetzt hervorragend“, berichtet der 45-Jährige. Er büffelt nach der Arbeit auf dem Sofa oder einem Sitzsack und schätzt die entspannte Art: „Druck habe ich permanent auf der Arbeit, das brauche ich nicht noch in meiner Freizeit“, sagt der Freiburger, der als Operations Manager arbeitet.

https://www.youtube.com/watch?v=DoJcqyIhO0E

 
Das Unterbewusstsein mache die Arbeit, ist Ritapal überzeugt. Es brauche wenig Überwindung für die Kurse. Mit den Anfängerlektionen in Spanisch hat er dafür etwas mehr Mühe, da ihm das Grundwissen fehle. Ritapal sieht es wie Helge Straube: Die eine Methode schließt die andere nicht aus. „Natürlich muss man eine Sprache sprechen, um sie zu lernen“, sagt Straube. Keiner könne sich allein mit Jicki alles aneignen.

Momente für eine Vokabeldusche gebe es oft: auf der Couch, beim Spazieren oder in der Bahn. Die ist mittlerweile Kooperationspartner. Im neuen kostenlosen Infotainment-Portal der ICEs sind die Vokabelduschen seit Kurzem in der Rubrik Hörbücher abrufbar. Für Straube ist das ein großer Coup: „80 Millionen Kunden im Jahr, ein Riesenpotenzial.“ Deutscher Marktführer für Online-Sprachkurse ist derzeit Babbel. Mit den Berlinern möchte Straube in etwa fünf Jahren auf Augenhöhe sein.

Text: Till Neumann; Fotos: Till Neumann & Pixabay