Zahl der Badeunfälle steigt: Immer weniger Menschen können schwimmen STADTGEPLAUDER | 05.08.2017

Mehr als 500 Menschen kamen 2016 bei Badeunfällen ums Leben – so viel wie seit zehn Jahren nicht mehr. Dass es nicht noch mehr sind, ist unter anderem der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) zu verdanken: 1071 Menschen haben ihre Rettungsschwimmer vergangenes Jahr vor dem Ertrinken gerettet. Sie sorgen auch dafür, dass es gar nicht erst zu Notsituationen kommt. So bietet der Verein im Haslacher Schwimmbad regelmäßig Anfängerschwimmkurse an – für Kinder und Erwachsene. Das ist dringend nötig.

Derzeit wacht Ute Nostadt und Frederick Hirtz über den Opfinger See.

Friday Metu stößt sich mit den Beinen kräftig vom Beckenrand ab. Als er durchs Wasser schießt, durchbricht der blaue Schwimmring, den er um den Bauch trägt, die Oberfläche. Viel hilft er nicht: Kaum verliert der 23-Jährige an Schwung, sinken die Beine nach unten. Seine erste Schwimmstunde? „Nein, bereits der dritte Kurs“, sagt sein Schwimmlehrer Gerd Nostadt. Seit 50 Jahren bringt der heute 67-Jährige Menschen das Schwimmen bei und weiß: Im Erwachsenenalter schwim­men lernen ist nicht einfach – denn oft ist die Angst groß. „Manche müssen wir an der Hand ins brusttiefe Wasser führen“, erzählt der Ehrenvorsitzende der Freiburger DLRG.

Sorgen bereiten dem Verein aber weniger die Überängstlichen als die Unbesorgten. Immer wieder fischen die Ret­tungsschwimmer Menschen aus Flüssen und Seen, die ihre Schwimmfähigkeiten überschätzen, erzählt Frederick Hirtz. Der Rettungsschwimmer steht auf der Plattform des neuen Wachgebäudes am Opfinger See und blickt über die ruhige Wasseroberfläche.

Katastrophen gibt es hier nur selten. Meist kümmern sich die Retter um Bienenstiche oder Schnitte. Dennoch: „In der Region gibt es jedes Jahr Ertrinkungsfälle“, weiß Hirtz. Meist an Seen ohne Wachdienst. Über die Einsatzleitstelle der Polizei werden die Ehrenamtlichen trotzdem hinzugezogen. Auch Hirtz rückt regelmäßig aus. Vor zwei Jahren etwa an den Rimsinger Baggersee: Ein 17-Jähriger war vom Bagger gesprungen, auf den Grund geprallt und hat sich das Genick gebrochen. Oft passieren solche Unfälle zu später Stunde, wenn Alkohol im Spiel ist.

„Hundeschwimmen“ reicht nicht: In Nigeria hatte seine Mutter Friday Metu das Schwimmen verboten, jetzt lernt er es von Gerd Nostadt.

Bedenklich ist die hohe Zahl der ertrunkenen Flüchtlinge: Die hat sich deutschlandweit im Vergleich zu 2015 mehr als verdoppelt. „Einige sind sehr unbekümmert“, sagt Nostadt, in dessen Anfängerkursen mittlerweile über­wiegend Flüchtlinge sind. „Sie sehen das Wasser, springen rein und sagen: Das wird mich schon tragen.“ Doch in tiefen Gewässern seien rudimentäre Schwimmkenntnisse – „wir nennen das Hundeschwimmen“ – nicht ausreichend. „Da reicht es schon, wenn einem jemand in die Quere schwimmt, und schon ist die Panik da“, so der Trainer.

Solche unsicheren Schwimmer gibt es immer mehr: 59 Prozent der Zehnjährigen gehören laut einer aktuellen forsa-Umfrage zu dieser Gruppe. Diese Zahl könnte sich noch verschärfen: Schwimmbäder schließen, Schwimmunterricht fällt aus. Ein Viertel der Grundschulen hat mittlerweile keinen Zugang zu einem Bad. Die DLRG-Anfängerkurse für Kinder sind daher heiß begehrt: Wenige Minuten nach Anmeldestart sind die Plätze restlos ausgebucht.

Dabei ist die Situation in Freiburg recht positiv: Das Bädersterben ist hier (noch) nicht angekommen. Zwar hat das Lehener Hallenbad aufgrund des Mangels an Bademeistern diesen Sommer geschlossen, beim Schwimmunterricht mache sich das laut Regiobäder-Sprecher René Derjung aber nicht bemerkbar. Ein Garant für regelmäßige Schwimmstunden sei das trotzdem nicht, weiß Ute No­stadt, zweite Vorsitzende der DLRG-Ortsgruppe: „Wir merken auch, dass immer weniger Schüler sicher schwimmen kön­nen. Denn wenn Unterricht ausfällt, ist das immer zuerst Sport – vor allem Schwimmen.“

Text und Fotos: Tanja Bruckert