Nachgewürzt: chilli-Kolumnist Florian Schroeder über die Grünen und den Mut Kultur | 22.04.2017

„Zukunft wird aus Mut gemacht“ – das klingt wie eine Zeile aus einem Achtziger-Hit von Nena. Aber es ist heute, 2017, der Wahlkampfslogan der Grünen. Noch besser hätte allerdings Nenas Songtitel „Irgendwie, irgendwo, irgendwann“ zu den Grünen gepasst. Ihre schlechten Umfragewerte lassen sie von den guten, alten Zeiten in den Achtzigern träumen. Warum machen das Chaos der Trump-Regierung und das schrille Auftreten der europäischen Populisten die Grünen nicht attraktiver?

Florian Schroeder, Kabarettist, studierte in Freiburg, lebt in Berlin und vergibt die chilli-Schote am goldenen Band.

Das Problem der Grünen ist: Sie haben sich totgesiegt. Sie hatten die Ideen, die anderen haben sie umgesetzt. Heute isst auch der letzte Kohlekraftwerksbetreiber mittags einen Veggie-Burger, und selbst die letzte Frostbeule heizt mit Ökostrom.

Doch solange der grüne Hausbesetzer auf dem Weg zum Wochenendhäuschen lieber schöne Landschaften als hässliche Windräder sehen will, wird es mit den harten Ökothemen schwierig. Solange Leute mit der Axt durch Hauptbahnhöfe rennen, Einkaufszentren unter Terrorverdacht geschlossen werden, hat der Deutsche nix gegen Videoüberwachung.

Wenn du da mit Datenschutz ankommst, ist das so, wie wenn die FDP Managergehälter auf Putzfrauenniveau fordern würde. Solange in Hamburg-Blankenese, wo die Grünen zweistellige Ergebnisse einfahren, Flüchtlingsheime mit Unterschriften verhindert werden, wird es problematisch mit Weltoffenheit und Willkommenskultur.

Gerade der genderfizierte – und gentrifizierte Grünen-Wähler hat gern seine Ruhe. Weltoffenheit ist am schönsten aus der Distanz. Deshalb passt ja Cem Özdemir auch so perfekt zu den Grünen – vom Namen her voll Multikulti, aber tief drinnen halt doch ein braver, schwäbischer Lokalpolitiker. Und daneben Katrin Göring-Eckardt – die Margot Käßmann für Arme –, neben der wirkt selbst Renate Künast wie ein Mitglied von „Pussy Riot“.

Deshalb wird die Kretschmannisierung der Grünen weiter voranschreiten. Er ist der Einzige, der noch wiedererkennbar ist; der die klassische Ehe hochhält, „Political Correctness“ doof findet und die Maghreb-Staaten zu sicheren Herkunftsländern erklärt. Kretschmann ist so schwarz – er wird immer mehr zum Horst Seehofer der Grünen.

Wenn die Grünen zurück zu den Hits ihrer Anfangsjahre in den Achtzigern wollen, müssen sie konsequent sein und Joschka-Coverversionen ins Programm nehmen, müssen mit Turnschuhen in den Bundestag kommen, den US-Verteidigungsminister provozieren und Norbert Lammert zurufen: „Mit Verlaub, Herr Präsident, Sie sind ein Arschloch!“ Bevor Cem und Katrin das tun, wird Christian Lindner Bundeskanzler.

Text: Florian Schroeder / Foto: © Privat