Nachgewürzt: chilli-Kolumnist Florian Schroeder über den armen Mann 4Literatur & Kolumnen | 22.04.2018 | Florian Schroeder

In diesen Tagen wird ja viel über den Mann diskutiert. Vor allem über seinen Untergang. Diese Woche auch als Titelgeschichte in meiner Lieblingszeitung DIE ZEIT, Deutschlands führendes Bionade-Blatt, wo es sonst meistens Simplify-your-Life-Geschichten für die Sandwich-Generation mit Bachelor-Abschluss gibt – also für Leute, die physisch in Marburg, Tübingen und Heidelberg zu Hause sind, aber intellektuell ganz klar zwischen Kreuzberg und Schanze.

Ausgerechnet dort musste ich also erfahren, wie ich mich jetzt als Mann fühlen muss – nämlich unterdrückt. Vom totalitären Feminismus. Um es mit Stefan Raab zu sagen: Was war da denn los? Hat Jens Spahn sein Abo gekündigt? Will man Wolfgang Kubicki als Kolumnisten gewinnen?

Der Autor Jens Jessen holt das ganz große Besteck raus. Es ist von bolschewistischen Schauprozessen gegen Männer die Rede. Für alles wird der Mann verantwortlich gemacht: Für den Weltkrieg, den Diesel, die Fliege im Pissoir. Ich frage mich: Ist der Kerl zu viel Ryanair geflogen in letzter Zeit? Moralisch minderwertig seien sie, die Männer, in Kollektivhaft werden sie genommen. Vor ein paar Jahren hieß es: Du bist Deutschland, heute heißt es: Du bist Wedel!

Ja sicher, ich setze mich in Bus und Bahn auch nur noch neben Männer, einfach aus Angst vor diesen Frauen, die aus mir „Germany’s Next Weinstein“ machen wollen.

Männer, heißt es weiter, machen die Diskriminierungserfahrung der Muslime: Was einer getan hat, wird allen zur Last gelegt. Nee, das ist übertrieben. Dafür tanzen deutsche Männer einfach zu schlecht an. Es sei denn, sie sind professionelle Tänzer, aber die sind doch eh alle schwul. Sorry, tut mir leid, den Satz hatte ich mir für meine Kolumne in der ZEIT aufgeschrieben. Herr Jessen ist also letztlich wie der Mann zu Hause: Erst schweigt er, dann sagt er was, aber leider das, was keiner mehr hören will.

Vielleicht schlägt ja wirklich gerade die Stunde der Männlichkeit. Vielleicht müssen wir Herrn Jessen an männlichen Kriterien messen: Wahrscheinlich hat er diesen Text nur geschrieben, weil er sehr lange nicht mehr einen in die Lücke gehupt hat. Wahrscheinlich sorgt jetzt der Hormonstau dafür, dass er sich auf lange Texte einfach nicht mehr konzentrieren kann.

Wutausbruch hat Herr Jessen sein Stück genannt – das ist ein Irrtum: Der alte, weiße Mann kann Wut von Weinerlichkeit nicht mehr unterscheiden. Und damit ist DIE ZEIT doch wieder mittendrin im Bionade-Biedermeier. Da, wo weinerliche Revolverhelden mit dem Luftgewehr auf Spatzen schießen.

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