Die soziale Zeitbombe Rente – 38 Jahre Arbeit für Hartz-4-Niveaus STADTGEPLAUDER | 25.10.2016

Das aktuelle Rentensystem ist für Frank Bsirske eine „soziale Zeitbombe“. Das sagte der Verdi-Chef unlängst in Freiburg, nachdem er von einer Betriebsversammlung der Deutschen Post AG kam.
 

Altersarmut: „Wer sein Leben lang gearbeitet hat, muss auch in Würde altern dürfen.“

Altersarmut: „Wer sein Leben lang gearbeitet hat, muss auch in Würde altern dürfen.“


 
Die Riester-Rente sei angesichts der anhaltenden Niedrigzinsphase mit entsprechend niedrigen Ausschüttungen gescheitert. Die betriebliche Altersvorsorge? „40 Prozent der Beschäftigten haben gar keine.“ Für die Lebensqualität im Alter spiele die gesetzliche Rente „die entscheidende Rolle“. Wer jahrzehntelang gearbeitet hat, muss „in Würde altern“ können. Verdi ist bei der Forderung nach einer Rentenreform nicht allein: Eine entsprechende Kampagne hat der Deutsche Gewerkschaftsbund, eine Rarität, einstimmig beschlossen. Die „Talfahrt des Rentenniveaus“ müsse gestoppt werden, weil sonst die Altersarmut freie Fahrt habe.
 
Verdi fordert höhere Beitragssätze. Wie hoch, wollen die Gewerkschaften noch erklären. „Ich bin mir aber sicher, dass die Beschäftigten vier Prozentpunkte mehr zahlen würden, um im Alter mehr zu haben.“ Eine Steigerung des Beitragssatzes (aktuell 18,7 %) um einen Prozentpunkt würde elf, zwölf Milliarden Euro in die Rentenkasse spülen. Zudem müssten die Tarifabschlüsse höher ausfallen, denn: „Auf Lohnarmut folgt Altersarmut.“
 
Gefahr: Das aktuelle Rentensystem ist für Frank Bsirske eine „soziale Zeitbombe“.

Gefahr: Das aktuelle Rentensystem ist für Frank Bsirske eine „soziale Zeitbombe“.


 
Bsirske glaubt im Vorfeld der Bundestagswahl schon jetzt eine „Nervosität der Koalitionsparteien“ ausgemacht zu haben. Auch Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) habe bereits Verbesserungen angemahnt, CSU-Chef Horst Seehofer Riestern als gescheitert erklärt.
 
Im internationalen Vergleich lägen die deutschen Renten 15 Prozent unter dem Durchschnitt der 35 OECD-Staaten, die eine Lohnersatzquote von 75 Prozent haben – hierzulande seien es 47,7 Prozent. „Weniger gibt es nur noch in Mexiko und Südafrika“, sagt Bsirske.
 
Es gibt auch näher liegende, beeindruckende Vergleiche: Ein Österreicher bekomme nach 45 Beitragsjahren 1800 Euro Rente, ein Deutscher 1050 Euro. Und wer hierzulande 38,2 Jahre einzahlt, bekomme heute Rente auf Hartz-4-Niveau. Am anderen Ende des Tisches sitzen die Arbeitgeberverbände und die Versicherungskonzerne. Es wird ein Hauen und Stechen geben.
 
Text: Lars Bargmann / Fotos: © perfectlab/fotolia.de/bar