Wichtige Einnahmequelle und strategisches Instrument: die Gewerbesteuer der Kommunen STADTGEPLAUDER | 28.03.2016

Noch nie in der Geschichte der Stadt Freiburg waren die Gewerbesteuereinnahmen so hoch wie im vergangenen Jahr: 183,4 Millionen Euro verbuchte Finanzbürgermeister Otto Neideck. Etwa 20 Prozent müssen die Kommunen als Umlage wieder ans Land abgeben. Bleiben unterm Strich fast 150 Millionen für den Stadtsäckel. Das Wirtschaftsmagazin business im Breisgau hat bei allen 47 Städten und Gemeinden im Breisgau die Zahlen seit 1996 angefragt. Dabei zeigt sich ein höchst heterogenes Bild: Manche haben ihre Erträge vervielfacht, andere kräftig verloren. Die Kommunen können mit dem Gewerbesteuerhebesatz die Belastungen für die Betriebe steuern. Da ist ein sensibles Händchen gefragt.
 

 
Nach einer Erhebung der Unternehmensberatung Ernst & Young haben in Deutschland seit Jahresbeginn 1558 Kommunen die Hebesätze erhöht, nur 35 haben sie runtergefahren. Der Satz ist ein Standortfaktor: Während klamme Kommunen um jeden Cent kämpfen müssen, leisten sich manche reiche einen niedrigen Satz – und ziehen damit Unternehmen magisch an. Der Münchner Promi-Vorort Grünwald etwa hat einen Hebesatz von 240 (Freiburg: 420) und damit im vergangenen Jahr satte 172 Millionen Euro eingenommen. Grünwald hat 11.000 Einwohner. Und 7000 Unternehmen.
 
Noch günstiger sind die Hebesätze nur in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern oder Thüringen (alle 200). Eschborn punktet mit 280, in Hamburg sind 470 fällig, in München 490, in Oberhausen 550. Wenn ein Betrieb 500.000 Euro Jahresgewinn macht, zahlt der in Oberhausen mithin fast das Doppelte wie in Eschborn – wo etwa die in Freiburg bekannte Aurelis Real Estate GmbH ihren Sitz hat. Den Vogel schießt aber das rheinland-pfälzische Dierfeld ab, wo der Hebesatz bei 900 liegt. Dierfeld hat aktuell ein Dutzend Einwohner. Der Rekordsatz wurde vom Bürgermeister mitbeschlossen: Der heißt Gerhard von Greve-Dierfeld und ist Inhaber der örtlichen Baumschule.
 
Kuriose Zahlen gibt es auch in den Kommunen im Breisgau. In Reute etwa gleicht die Planung der Gewerbesteuereinnahmen für die Rechnungsamtsleiterin Marion Metzger einer Lotterie: 2011 waren es 1,54 Millionen Euro, 2012 nur 450.000, 2013 dann wieder 1.43 Millionen, 2014 keine 300.000 Euro mehr. Der Anteil am Verwaltungshaushalt schwankt heftig zwischen 5,7 und 26 Prozent.
 
Während Herbolzheim 2006 noch fünf Millionen Euro einnahm, sackte das Ergebnis bis 2011 auf 2,95 Millionen Euro ab. Kenzingen hingegen steigerte sich im selben Zeitraum von 1,13 Millionen auf 2,08 Millionen Euro. Während der Anteil der Gewerbesteuer am 2014er Haushalt in Sölden und Pfaffenweiler nur 3,65 und 3,75 Prozent ausmacht, verbuchen die Kämmerer in Malterdingen oder in Freiburg satte 23,1 Prozent und 21,7 Prozent (2015). Während Ebringen seine Erträge seit 1996 verachtfacht hat, sind die Einnahmen in Eichstetten und Merzhausen nahezu unverändert.
 
Merdingen und Riegel hingegen verloren jeweils rund 40 Prozent. Die 1500-Seelen-Gemeinde Wittnau brachte derweil das Kunststück fertig, ihre Erlöse zwischen 2006 und 2011 um rund 2200 Prozent zu steigern.
 
Die Kommunen spielen diese Gewerbesteuererlöse, zu denen noch die Mittel aus dem Finanzausgleich, die Grundsteuer, die anteilige Umsatz- und Einkommenssteuer und die Grunderwerbssteuer kommen, nicht zweckgebunden in ihre Haushalte ein. „Wir sind da leidenschaftslos“, sagt der Freiburger Kämmerer Bernd Nußbaumer.
 
Mit den Gewerbesteuereinnahmen wird nicht wieder direkt in noch mehr Gewerbesteuer investiert. Aber indirekt: Denn mit den Millionen-Erlösen können die Kommunen investieren, in die Infrastruktur, in neue Gewerbegebiete. Wenn etwa Bad Krozingen aktuell von privaten Eigentümern 15 Fußballfelder Flächen kauft, dann um dort ein neues Gewerbegebiet zu erschließen, das die Kasse von Bürgermeister Volker Kieber voller machen soll. Durch öffentliche Millionen-Investitionen, etwa in den Straßenbau oder den Ausbau des ÖPNV, verdient das regionale Handwerk, die Betriebe zahlen einen Teil über die Gewerbesteuer wieder zurück.
 
Es gibt übrigens aktuell auch eine Kommune, die sich mit Händen und Füßen gegen zu hohe Gewerbesteuern wehrt. Nach einem Bericht der Fachzeitschrift „Der Neue Kämmerer“ muss die Deutsche Bank dem 8000-Seelen-Örtchen Lützen in Sachsen-Anhalt 129 Millionen Euro Gewerbesteuer nachzahlen, für eine dort ansässige Tochter, die einen Pensionsfonds verwaltet.
 
Das versetzte Bürgermeister Dirk Könnecke in Angst und Schrecken. Der Mann wehrt sich gegen die Überweisung, weil die Bank gegen den Bescheid des zuständigen Finanzamts Widerspruch eingelegt hat. Gewinnt sie, müsste Lützen nicht nur das Geld zurück, sondern auch Zinsen zahlen – rund acht Millionen Euro jährlich. So fürchtet Könnecke kurioserweise den „wirtschaftlichen Bankrott“, wenn plötzlich 129 Millionen Euro im Stadtsäckel landen. Der MDR berichtete zuletzt, dass sich derweil die Stadt, der Landkreis, das Finanzministerium und die Deutsche Bank auf eine Lösung geeinigt hätten.
 
Das kassieren die Gemeinden
 
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Text: Lars Bargmann / Illustration: © iStock.com/erhui1979