"Das kalte Herz" mit Moritz Bleibtreu – Ab heute im Kino Kinonews | 20.10.2016

Der Stoff ist möglicherweise so alt wie die Menschheit. Zumindest aber so alt wie die Aufteilung der Menschen in Reiche und Arme, in Mächtige und Ohnmächtige: Einer, der von Geburt zu den Habenichtsen gehört und es wegen eines unüberwindbaren Kastenwesens nie zu Selbstbestimmung und gesellschaftlichem Ansehen bringen wird, geht einen Pakt mit dem Bösen ein, um unerreichbare Ziele zu erreichen. Aus Gier, aus Gerechtigkeitssinn, aus Liebe – die Motive der moralischen Grenzüberschreitung als Mittel zur Überwindung sozialer, angeblich gott­gewollter Grenzen sind vielfältig. Das Ergebnis immer gleich: Verrohung, Grenzenlosigkeit, Untergang.
 
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Peter Munk, der Sohn eines Nordschwarzwälder Köhlers, ist da keine Ausnahme – weder in Wilhelm Hauffs romantischem, 1827 veröffentlichten Märchen „Das kalte Herz“ noch in Johannes Nabers gleichnamiger fantastischer Verfilmung, die nun in die Kinos kommt. Zwar ist es die Liebe zu der schönen Glasmachertochter Lisbeth Löbl, die den auf der untersten gesellschaftlichen Stufe stehenden Köhler Peter antreibt, sich in die Hände des berüchtigten Holländer Michel zu begeben, der in einer Höhle im Wald haust und Menschen durch die Entnahme ihrer Herzen zu gefühllosen Marionetten macht. Doch kaum hat Peter anstelle seines Herzens einen Stein in seiner Brust, kann er gar keine Liebe mehr empfinden. Und auch keine anderen Gefühle, wie etwa Empathie, Solidarität, Nachsicht. Oder einfach nur Güte.
 
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Durch seinen Pakt mit dem diabolischen Holländer Michel wird der ehemals so gutmütige Peter zum skrupellosen Geschäftsmann, der keine andere Leitlinie mehr kennt als die Vermehrung von Reichtum und Macht – um jeden Preis. Um den Preis des Verlustes seiner selbst: Verblendet von hemmungs­loser Gier wird er am Ende zum Ebenbild jener mächtigen Männer, unter deren herzloser Verachtung und gnadenlosem Spott er einst litt. Und auch um den Preis des Verlusts der Frau, für die er eigentlich alles tun wollte – und tat. Denn Lisbeth, die ihn ohne Bedingungen, ohne Geld und Ansehen liebte, erkennt ihn nicht wieder und will nichts mehr von ihm wissen.
 
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Johannes Nabers Film führt zwar in eine archaische, von fantastischen Fabelwesen und Naturgeistern bevölkerte Wald-Welt. Doch ist seine grundsätzliche Kapitalismuskritik auch in dieser, teilweise in der Umgebung des Schluchsees gedrehten Anti-Gier-Fabel nicht zu übersehen. Obwohl sie nicht so deutlich daherkommt wie in „Zeit der Kannibalen“. Ein packender, bildgewaltiger und gruselig-schöner, kraftvoller Film mit ausgezeichnet agierenden Schauspielern.
 
Text: Erika Weisser / Fotos: © Weltkino
 
 
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Das kalte Herz
Deutschland 2016
Regie: Johannes Naber
Mit: Frederick Lau, Henriette Confurius, Moritz Bleibtreu, Sebastian Blomberg u.a.
Verleih: Weltkino
Laufzeit: 119 Minuten
Start: 20.10.2016