Film-Tipp: „Ein Dorf sieht schwarz" läuft am Donnerstag an Kinonews | 16.04.2017

Nach beendetem Medizinstudium in Lille soll Seyolo Zantoko zurück nach Zaire, um Leibarzt von Staatspräsident Mobutu zu werden. Doch er mag weder den Diktator noch das korrupte System; er zieht es vor, als Landarzt dem kleinen, nördlich von Paris gelegenen Dorf Marly-Gomont zu arbeiten. Als der dortige Bürgermeister ihm diese seit Jahren freie Stelle anbietet, sagt er sofort zu, lässt seine Frau Anne und die beiden Kinder aus Kinshasa kommen.

Und diese begreifen erst dann begreifen, dass sie nicht in Paris wohnen werden, als sie in strömendem Regen auf einem schlammigen Weg vor dem maroden Anwesen stehen, das ihnen als Bleibe dienen soll. Und Seyolo als Praxis.

Doch die bleibt erst einmal leer: Kein Dorfbewohner will sich von dem schwarzen Arzt untersuchen lassen, mit ihm und seiner Familie auch nur in Berührung kommen. Die einheimischen Bauern und Bäuerinnen gehen lieber weiterhin in das ziemlich weit entfernte Nachbardorf, wo ein weißer Arzt praktiziert, der aber nie ins Bild kommt. Er wird immer nur als Druckmittel gegen Zantoko eingesetzt, der sich vergeblich bemüht, die Leute von seinem Können zu überzeugen.

Davon, dass die Farbe der Haut nichts mit der Kompetenz als Mediziner zu tun hat. Es ist das Jahr 1975 und in der französischen Provinz – wie auch in ländlichen Gegenden in anderen Ländern – halten die Leute noch immer an der kolonialistisch geprägten hierarchischen Einstellung gegenüber Menschen aus Afrika, an rassistischen Vorurteilen fest.

Seyolos Frau Anne wird auf der Straße nicht gegrüßt, die Kinder werden in der Schule diskriminiert und gemobbt: Sie müssen nicht nur anhören, dass sie „wie Kacke riechen“, man traut ihnen auch nicht zu, dass sie lesen, schreiben und rechnen können, das Mädchen, eine hochbegabte Fußballerin, darf in der Dorfmannschaft nicht mitspielen. Der alltägliche Rassismus ist nur schwer auszuhalten, nur manchmal gibt es eine Atempause: Wenn Verwandte zu Besuch kommen, die sich in Belgien niedergelassen und etabliert haben.

Doch die benehmen sich wiederum so auffällig, dass es dem stets auf französische Umgangsformen bedachten Arzt, eher peinlich ist. In der Absicht, das Vertrauen der doch sehr engstirnigen Dörfler zu gewinnen, geht er auf vollständigen Anpassungskurs, geht gar so weit, der Familie zu verbieten, ihre Muttersprache Lingala zu sprechen. Ja, er sucht sogar nach Rechtfertigungen für das diskriminierende Geschwätz der Nachbarn. Und sucht offensiv den Kontakt: Mit dem einzigen Menschen, der ihn zu akzeptieren scheint, geht er regelmäßig ins Dorfgasthaus, getrieben vom – natürlich vergeblichen – Versuch, ein Gleicher unter Gleichen zu sein.

Als der Boykott gegenüber seiner Praxis die Familie an den Rand des finanziellen Abgrunds bringt, beginnt Seyolo Zantoko, auf dem Hof dieses gutmütigen, ihm wohl gesonnenen Landwirts als Gehilfe mitzuarbeiten. Was er vor Anne und den Kindern selbstverständlich geheimhält. Irgendwie überleben sie, beißen sich durch. Bis er in der Weihnachtsnacht in einer komplizierten Not-Geburt einem Kind auf die Welt hilft, das ohne sein Zutun keine Lebenschance gehabt hätte. Da löst sich langsam der Knoten; nach und nach werden die Zantokos zu respektierten Mitgliedern der Dorfgesellschaft.

Die Idee zu diesem Film stammte von Seyolo Zantoko selbst. Denn diesen Mann gab es wirklich; bis zu seinem Tod im Jahr 2009 lebte er in Marly-Gomont. Und arbeitete als sehr beliebter Dorfarzt. Seine wahre Geschichte wird indessen nicht dokumentarisch wiedergegeben, sondern als Spielfilm, der im vergangenen Sommer in Frankreich mit einer halben Million Zuschauer zum Überraschungs-Kinohit wurde. Und der sich wohltuend von den Wohlfühlkomödien abhebt, die Rassismus und Ausgrenzung zum Culture-Clash verniedlichen. „Ein Dorf sieht schwarz“ verniedlicht nicht, verharmlost nicht. Und ist dennoch amüsant, hat einige gelungene komödiantische Einschübe.

Dadurch gewinnt dieser nachdenkliche und berührende Film zu diesem leider wieder sehr aktuellen und besorgniserregenden Thema an einer unerwarteten Leichtigkeit.

Text: Erika Weisser / Bilder: © Prokino

Ein Dorf sieht schwarz
Frankreich 2016
Regie: Julien Rambaldi
Mit: Marc Zinga, Aïssa Maïga, Bayron Lebli, Médina Diarra u.a.
Verleih: Prokino
Laufzeit: 96 Minuten
Kinostart: 20. April 2017

Seyolo Zantokos Sohn Kamini Zantoko ist heute ein bekannter französischer Rapper. Er kommt zur Freiburger Premiere von „Ein Dorf sieht schwarz“ am Donnerstag, 20. April, 19 Uhr im Kino Harmonie. Das chilli verlost 5 x 2 Eintrittskarten für die Premiere! E-Mail an: gewinnspiel@chilli-freiburg.de; Stichwort: Dorf