Wichtig, fulminant, spannend: Das sind die Bücher des Jahres für die chilli-Redaktion Kultur | 21.12.2017 | chilli

Während es auf der diesjährigen Frankfurter Buchmesse zu Schlägereien und Tumulten kam, hat die chilli-Redaktion die Planung für den letzten Literaturaufmacher des Jahres ganz und gar friedlich, ja durchaus gemeinschaftlich gestaltet: Wir schreiben mal nicht über andere Autoren, sondern bieten unseren Lesern unsere ganz persönlichen „Bücher des Jahres“.

Und die beackern ein weites Feld: Sie spielen in Südafrika oder Leningrad, in Brandenburg oder Italien, handeln von politischen Kämpfen und Abenteuern, Kriegsgeschichte und sieben Sünden, Goldgräbern, Tragödien und einer roten Ampel. Für uns haben diese Werke weit mehr als nur ihre Geschenk­ability bewiesen.

Farbenblind

von Trevor Noah, Blessing Verlag, 2017, 335 Seiten, 19,99 Euro Der Mann weiß, wovon er spricht: Trevor Noah wuchs in Soweto auf, einer Town­ship am Rande von Johannesburg. Seine Geburt war der erste Gesetzesbruch: Seine Mutter eine schwarze Xhosa, sein Vater Schweizer. Ein Unding im absurden Apartheidregime von Südafrika. Noah erzählt aus seinem Leben, er lässt den Leser über seine Schulter schauen, in seine Gedanken eintauchen, er führt ihm – nicht ohne Ironie – vor Augen, mit welchen ebenso bizarren wie unmenschlichen Methoden die Regierung ihre Bürger trennt. Er selber, der Nobody, der nirgendwo Zugehörige, schaffte es aus dem Slum auf die großen Comedy-Bühnen der Welt. Ein wichtiges, richtiges, kaum wegzulegendes Buch. Von Lars Bargmann

Die gestirne

von Eleanor Catton, btb Verlag, 2017, 1040 Seiten, 14 Euro Im Jahr 1866 betritt ein Fremder ein Hotel im neuseeländischen Goldgräberstädtchen Hokitika. Zwölf Menschen haben sich hier versammelt. Warum, wird erst viel später klar. Denn was mit dem Tod eines Einsiedlers beginnt, weitet sich zu einem Netz an ungelösten Kriminalfällen aus. Zugegeben: Die 1040 Seiten verlangen ihrem Leser Durchhaltevermögen ab. Die Goldgräbersaga ist mit ihren vielen Verstrickungen, der wortgewaltigen, etwas steifen Sprache und den wechselnden Perspektiven kein leichtes Lesestückchen. Doch wer sich hineingefunden hat, wird unweigerlich in den Sog dieses rasanten Epos gezogen. Von Tanja Senn

Sieben Nächte

von Simon Strauß, Aufbau Verlag, 2017, 144 Seiten, 16 Euro Ist dies das Buch für die nächste Generation? Dies behauptet zumindest Florian Illias, der mit der „Generation Golf“ ja so etwas versuchte. „Sieben Nächte“ von Simon Strauß, Jahrgang 1988 und wie einst Illies im Feuilleton der FAZ beschäftigt, ist zumindest etwas, was Hoffnung macht: Auf eine neue Generation der „angry young men“, auf eine Renaissance der Leidenschaft, der Re-Politisierung und des Aufbegehrens. Der Protagonist in diesem schmalen Band schließt mit einem Fremden einen Pakt: Jede Nacht wird er eine dieser sieben Sünden begehen und darüber schreiben. Das ist fulminant! Das ist groß! Von Dominik Bloedner

Die Nacht schreibt uns neu

von Dani Atkins, Knaur Verlag, 2016, 446 Seiten, 9,99 Euro Dani Atkins hat es wieder getan: Nach ihrem Debüt mit „Die Achse meiner Welt“ hat sie eine zweite Liebesgeschichte geschrieben, die sich fast so spannend wie ein Thriller liest. Hauptfigur Emma steht kurz vor ihrer Hochzeit mit Jugendliebe Richard. Am Abend ihres Junggesellinnenabschieds kommt es zu einer Tragödie, die das Leben aller Beteiligten verändert. Eine ergreifende Geschichte, mit einem nicht so vorhersehbaren Ende, wie man es eigentlich hätte vermuten können. Dabei werden verschiedene Themenfelder von Freundschaft und Liebe, Verlust und Trauer sowie das Leben mit der Krankheit Alzheimer abgedeckt. Von Isabel Barquero

Tote Mädchen lügen nicht

von Jay Asher, cbt Verlag, 2009, 283 Seiten, 9,30 Euro Spätestens nach dem Start der Netflix-­Serie „Tote Mädchen lügen nicht“, die Anfang des Jahres Aufsehen erregte, ist auch der Roman von Jay Asher wieder auf die Bildfläche zurückgekehrt. Als Clay Jensen eines Nachmittags aus der Schule nach Hause kommt, liegt ein Päckchen mit 13 Kassetten vor seiner Haustür. Als er das erste Band in einen alten Kassettenrekorder legt und auf Play drückt, kann er seinen Ohren kaum trauen. Er hört die Stimme von Hannah Baker – seiner Mitschülerin, seiner besten Freundin, seiner ersten Liebe –, die sich wenige Tage zuvor das Leben genommen hat. Ashers Roman ist nicht nur eine Coming-­of­-Age-Geschichte, er setzt sich gefühlsgewaltig und schonungslos mit dem Thema Mobbing und dessen Konsequenzen auseinander. Von Valérie Scholten

Stadt der Diebe

von David Benioff, Blessing Verlag, 2008, 381 Seiten, 10,99 Euro Leningrad im Januar 1942: Um dem eigenen Kriegsgericht zu entgehen, erhalten der junge Lew und der Deserteur Kolja in der eingekesselten und ausgehungerten Stadt den aberwitzigen Auftrag, für die Hochzeitstorte eines sowjetischen Generals zwölf Eier zu besorgen. Auf 381 Seiten durch Trümmer und Kälte bilden der schüchterne Teenager und der selbsternannte Frauenheld dabei ein ungleiches Paar zwischen den Fronten. In einer entbehrungsreichen Zeit schafft es der Autor, die Spannung aufrechtzuerhalten, den herrschenden Schwermut durch dosierten Humor aufzubrechen und schließlich eine dichte Abenteuergeschichte zu erzählen. Von Philip Thomas

Das Haupt der Welt

von Rebecca Gablé, Bastei Lübbe, 2015, 861 Seiten, 10,90 Euro Brandenburg 929: Beim Fall der Brandenburg nimmt das deutsche Heer unter Heinrich I. den slawischen Fürstensohn Tugomir und seine Schwester gefangen. Beide müssen von nun an in Magdeburg leben. Tugomir hasst diese neue Welt. Trotzdem rettet er dem Königssohn Otto das Leben und es entsteht eine Art feindliche Freundschaft. Nach Ottos Krönung bilden sich Intrigen, um ihn zu stürzen, auch aus den eigenen Reihen … Rebecca Gablé schafft es, mit diesem Buch deutsche Geschichte erlebbar zu machen. All das Leid und die Freude der Charaktere durchlebt man selbst. Ein Buch, das von Anfang bis Ende spannend und überraschend bleibt! Von Annkathrin Pohl

Sid Schlebrowskis kurzer Sommer der Anarchie und seine Suche nach dem Glück

von Klaus Bittermann, Edition Tiamat, 2016, 240 Seiten, 18 Euro Nancy und Sid ergeht es wie den Blues Brothers: Ihnen wird die Nichtbeachtung einer roten Ampel zum Verhängnis. Nach wenigen Metern stoppt eine Polizeistreife die beiden minderjährigen Ausreißer und verhaftet sie direkt nach der Durchsuchung des Kofferraums ihres geklauten Autos. Schlimmer noch: Sie trennen sie. Dabei hatte das abenteuerlustige diebische Pärchen doch gerade erst die Liebe entdeckt und noch so viel vor – zumindest die Fortsetzung ihres rasanten Trips, der ihnen in Norditalien unglaubliche Begegnungen mit zeitgeschichtlichen Ereignissen und ihren Protagonisten beschert hatte – und wundersame Gelegenheiten zur Expropriation diverser Expropriateure. Ein hinreißend heiteres Buch. Von Erika Weisser

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