Duell im Kordillerenschnee: Film „Neruda" kommt ins Kino Kinonews | 21.02.2017

Pablo Neruda arbeitet an seinem epochalen, später von Mikis Theodorakis vertonten Jahrhundertwerk „Canto General“, als sich die politischen Verhältnisse in seinem Heimatland Chile so verändern, dass er gezwungen ist, das Land zu verlassen. Doch es ist nicht das Jahr 1973 und nicht wegen der blutigen Diktatur von General Augusto Pinochet, der in einem Militärputsch die Volksfront-Regierung von Salvador Allende hinweggefegt hatte: Es ist das Jahr 1948 und Pinochet ist zu jener Zeit Kommandant eines Lagers in der Atacama-Wüste.

Dorthin lässt der einst volksnahe Präsident Gabriel González Videla seine politischen Gegner bringen: Kommunisten, Sozialisten und linke Gewerkschafter, die sich gegen ihn stellen, nachdem er sich auf die Seite der USA geschlagen hat. Dort will er auch den kommunistischen Senator und Dichter Neruda haben, der ihn im Parlament des Verrats an denen bezichtigte, die ihm vertrauten – und an die Macht brachten.

Nach diesem Vorwurf hebt Videla Nerudas Immunität auf, enthebt ihn seines Amtes – und setzt, um seine mögliche Flucht zu verhindern, einen Möchtegern-Emporkömmling auf den inzwischen untergetauchten Poeten an: Inspektor Oscar Peluchonneau, der mit übertriebenem Ehrgeiz seiner etwas dubiosen Vergangenheit als Sohn einer Prostituierten entkommen will – und in seiner Verbissenheit, den meistgesuchten Mann Chiles zur Strecke zu bringen, zu einer eher tragischen Gestalt wird. Denn in dem nun beginnenden Katz-und-Maus-Spiel ist ihm der Gesuchte immer einen Schritt voraus, wird der Jäger durch List und Solidarität mit dem von ihm Verfolgten zusehends selbst zum Gejagten.

Und zum Gespött: Neruda hat dem Polizisten an jedem Ort, an dem dieser immer nur wenige Minuten nach ihm auftaucht, ein persönlich gewidmetes Buch hinterlassen. Ein Buch, in dem er seinem Verfolger selbst die Spuren zu seinem nächsten Versteck legt – wo dieser natürlich wieder zu spät eintrifft.

Die aufregende Jagd führt durch Arbeiterviertel, Herrenhäuser, Dörfer und einen Nachtclub – in dem sich eine der schönsten und bewegendsten Szenen des Films abspielt: Beim Verhör wirft hier ein Travestie-Künstler verblüfften Inspektor an den Kopf, dass er die menschliche Größe und Großzügigkeit des vielschichtigen Lyrikers niemals erfassen könne. Und sie endet – zumindest für Peluchonneau – in einem Duell in der verschneiten Bergwelt der Kordilleren. Pablo Neruda hingegen kommt in Paris an – wo ihn außer einer begeisterten Menschenmenge sein alte Freund und Kampfgefährte Pablo Picasso erwartet.

Mit viel poetischem Realismus und hintergründigem Humor hat der engagierte Filmemacher Pablo Larraín ein spannendes, zwischen Kammerspiel und Kriminalfilm angesiedeltes Biopic über seinen wohl berühmtesten Landsmann inszeniert. Anschauen!

Text: Erika Weisser / Bilder: © Piffl Medien

Plakat_Neruda

Neruda
Chile 2015
Regie: Pablo Larraín
Mit: Gael Garcia Bernal, Luis Gnecco, Mercedes Moran u.a.
Verleih: Piffl Medien
Laufzeit: 108 Minuten
Kinostart: 23. Februar 2017
Trailer:www.filmstarts.de