Haare auf den falschen Zähnen: "Toni Erdmann" ab morgen als DVD erhältlich Kultur | 22.12.2016

Seit einem halben Jahr geistert Toni Erdmann durch die Kinos, hat eine dreiviertel Million Zuschauer dorthin gelockt. Rechtzeitig zu Weihnachten kommt er nun auf den Heimkino-Markt; wer sich vorher noch eine DVD oder Bluray sichert, hat bestimmt kein langweiliges Fest. Denn der Film ist, obwohl er eigentlich – und sehr klug – ein innerfamiliäres Entfremdungsdrama thematisiert, ausgesprochen unterhaltsam, ja, oft zum Brüllen komisch.

Maren Ade, die aus Karlsruhe stammende Regisseurin, hat mit ihrer genauen Beobachtungsgabe ein sehr subtiles und souverän inszeniertes Werk geschaffen, dessen Darsteller, vor allem Sandra Hüller und Peter Simonischek, zudem in bester Spiellaune ganz großartig agieren.

Für ihr Spiel haben sie vor wenigen Tagen denn auch höchste Auszeichnungen erhalten: Bei der Verleihung des Europäischen Filmpreises am 10. Dezember 2016 wurde Hüller zur besten Darstellerin gekürt, Peter Simonischek zum besten Darsteller. Und Maren Ade erhielt gleich zwei Preise: für das beste Drehbuch und für die beste Regie. Und selbstverständlich wurde „Toni Erdmann“ zum besten Europäischen Film 2016 gewählt. Ende November hatte diese deutsch-österreichisch-rumänische Ko-Produktion schon den LUX-Filmpreis des Europäischen Parlaments gewonnen, zuvor gab es bereits zahlreiche andere internationale Auszeichnungen.

Und nun ist „Toni Erdmann“ auf dem Weg nach Hollywood: Zunächst von „German Films“ als deutscher Vorschlag für den 89. Oscar in der Kategorie „Bester nicht-englischsprachiger Film“ vorausgewählt, hat er es inzwischen gar in die Short List geschafft. In dieser engeren Auswahl sind nur noch neun Filme; fünf von ihnen gehen nach der endgültigen Nominierung am 24. Januar in das Rennen um den Oscar als bester fremdsprachiger Film. Die Verleihung findet am 26. Februar im Dolby Theater in Hollywood statt.

Der Film erzählt die Geschichte einer hindernisreichen Annäherung zwischen einem Vater und seiner erwachsenen Tochter: Winfried Conradi, ein leicht vertrottelt wirkender, ziemlich unangepasster Musiklehrer mit einem ausgeprägten Hang zu grotesken Verkleidungen und schrägen Scherzen, will im Leben seiner Tochter Ines wieder eine Rolle spielen. Doch die etwa 30-jährige völlig humorlos wirkende und überangepasste Karrierefrau, die in Bukarest lebt und dort als Unternehmensberaterin für eine internationale Firma gerade ein großes – und rücksichtsloses – Outsourcing-Projekt leitet, will nichts davon wissen. Sie will auch selbst keine Rolle im Leben diese Vaters spielen, der auf sie wie ein ewiges Kind wirkt und ihr deshalb eigentlich nur peinlich ist. Die erfolgreiche, ewig gehetzt und genervt wirkende und ununterbrochen telefonierende Managerin scheint sich jegliche Emotion abtrainiert und abgespalten zu haben. Sie kann nichts anfangen mit dem ihr im Grunde fremden 60-jährigen Mann, der um seinen verstorbenen alten Hund trauert und der an ihr Gewissen, an ihr Gefühl appelliert.

Winfried Conradi lässt sich indessen nicht davon abhalten, vielleicht doch einen Weg zu Ines zu finden – nachdem er dieses Ziel bei seinem überraschenden Besuch in Bukarest zunächst kläglich verfehlt, wird er mittels Perücke und falschen Zähnen zu Toni Erdmann, der einfach immer wieder in Ines’ Nähe auftaucht und sie mit wunderbar aberwitzigen Aktionen an den Rand des Wahnsinns bringt – und damit dazu, Empfindungen überhaupt wieder zuzulassen. Auch wenn diese erst einmal negativ besetzt sind.

Mehr sei nicht verraten von diesem Film, den man nicht beschreiben, nicht in Worte fassen kann. Sondern sehen muss.

Text: Erika Weisser / Fotos: © Komplizen Film

Toni Erdmann
Deutschland 2016
Regie: Maren Ade
Mit: Sandra Hüller, Peter Simonischek,
Studio: NFP/EuroVideo
Laufzeit: 164 Minuten
Preis: ca. 14 Euro/ 2DVDs im Schuber
Ab 23. Dezember 2016 im Verkauf