Mit unerkannten Heldinnen zu den Sternen: „Hidden Figures“ im Kino Kinonews | 01.02.2017

Schon als Kind war Katherine Johnson eine glänzende Mathematikerin: In Windeseile und aus dem Kopf löste sie vor den verblüfften Lehrern die komplexesten Gleichungen; sie übersprang mehrere Klassen, und kam bereits mit zehn Jahren an eine Highschool. An das West Virginia Collegiate, der einzigen Highschool in West-Virginia, zu der Afroamerikaner im Jahr 1928 Zugang hatten, die aber 200 Kilometer von ihrem Heimatort entfernt war. Der Film beginnt mit einem Test, den sie ebenfalls mit Bravour löste, und der ihr den Besuch des West Virginia College ermöglichte. Ihr dortiges Studium schloss sie 1937, mit 18 Jahren, als Bachelor of Science ab. Mit Auszeichnung.

Im Film ist Katherine Johnson erst wieder zu Beginn der 1960-er Jahre zu sehen, als sie schon Witwe und Mutter von drei Kindern ist – und bei der NASA arbeitet. Da ist sie unterwegs zum Rechenzentrum des Langley Research Center in Hampton, wo sie in einem vom eigentlichen Forschungszentrum weit entfernten, von weißen Kollegen abgesonderten unterirdischen und fensterlosen Raum mit ausschließlich schwarzen Frauen zusammenarbeitet. In besagtem Zentrum für Flugforschung arbeiten nur weiße Männer. Die indessen allmählich unter Druck geraten: Die Sowjets haben im Wettlauf um die Eroberung des Weltraums die Nase vorn; 1961 umrundet Juri Gagarin in der Wostok 1 gar die Erde.

Da bei der Berechnung der Flugbahnen etwas nicht zu stimmen scheint und sich Katherine Johnsons außergewöhnliche mathematisch- analytische Begabung bereits herumgesprochen hat, wird sie von Al Harrison, dem Leiter der Space Task Group auf unbestimmte Zeit „ausgeliehen“. Was zur Folge hat, dass die Wissenschaftlerin, täglich mehrmals endlos weite Wege zurücklegen muss: Im Hauptbau gibt es keine Toilette für Schwarze, schon gar nicht für schwarze Frauen. Doch sie lässt sich nicht unterkriegen, ebenso wenig wie ihre Kollegen-Freundinnen Dorothy Vaughn und Mary Johnson.

Mit außerordentlichem Mut und unerschrockenem Glauben an ihre Talente arbeiten sie sich nach oben, wehren sich gegen die Benachteiligung, der sie als Schwarze und als Frauen unterworfen sind. Freundlich, aber unbeirrt kämpfen sie gegen Vorurteile und Rassentrennung – und finden dabei aneinander, bei ihren Männern, Kindern und Familien Halt und Unterstützung. Und, völlig unerwartet, bei Al Harrison: Aus Ehrgeiz und Pragmatismus wird er bald widerspenstig gegen die für die Forschung hinderlichen Regeln der erniedrigenden und menschenverachtenden US-amerikanischen Rassentrennung. Auch wenn es ihm zunächst nur um die Nutzung wichtiger Potentiale geht.

John Glenn, der erste US-amerikanische Mann im Kosmos, ist da schon einen Schritt weiter: Ohne Zögern reicht er seine Hand auch den schwarzen Mitarbeitern des Teams, das seine Erdumrundung vorbereitet und möglich machte. Allen voran Katherine Johnson, auf deren Berechnungen der Umlaufbahn er bei seinem legendären Flug in der „Friendship 7“ mehr vertraute als den IBM-gestützten Daten. Der Film endet mit diesm Flug, bei dem das ganze Land auf öffentlichen und privaten Plätzen mit bebte und mitbetete. Im Abspann erfahren wir allerdings, dass Katherine Johnson heute 98 Jahre alt und immer noch sehr rege ist, dass sie einen entscheidenden Anteil am Gelingen des späteren Mondflug-Programms hatte, dass sie und ihre Kolleginnen (nicht nur Mary und Dorothy) für die NASA unentbehrlich wurden.

Theodore Melfis Film holt diese „hidden figures“, diese unerkannten Heldinnen, ohne die der Griff nach den Sternen erst später gelungen wäre, endlich ans Licht. Dabei ist der Film trotz eingefügter Originalaufnahmen von Martin Luther King, John F. Kennedy oder Nikita Chruschtschow kein Dokumentarfilm geworden. Sondern eine äußerst erhellende und sehenswerte Spielfilm-Zeitreise, die auch das Zwischenmenschliche nicht außer Acht lässt. Und mit Will Pharells mitreißendem Soundtrack die innovative Kraft des Motown-Sounds wieder spürbar macht. Des Sounds, der uns damals die Nöte und Träume der Afroamerikaner näher brachte.

Dieser großartige Film hätte den Oscar verdient, für den er – als bester Film – nominiert ist. Gerade in diesen Zeiten.

Hidden Figures- Unerkannte Heldinnen
USA 2016
Regie: Theodore Melfi
Mit: Octavia Spencer, Taraji P. Henson, Janelle Monáe, Kevin Costner, Mahershala Ali, Kirsten Dunst, Jim Parsons u.a.
Verleih: Twentieth Century Fox
Laufzeit: 127 Minuten
Start: 2. Februar 2017
Trailer: www.fox.de

Text: Erika Weisser / Fotos: © TCF