Ringerin Luisa Niemesch schwitzt für Olympia STADTGEPLAUDER | 28.07.2016

Am 17. August ist ihr großer Tag. Die Ringerin Luisa Niemesch wird in Rio de Janeiro gegen die absolute Weltspitze antreten. Für die Olympiade trainiert die 20-jährige Freiburger Studentin fast täglich. Ihre Chancen hält sie für gering. Ihr Trainer ist optimistischer: „Alles ist möglich“, sagt Marius Sachs. Die Familie verfolgt das Geschehen im Livestream.

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Angriffslustig: Luisa Niemesch nimmt einen Traininspartner in die Mangel.

Fast im Sekundentakt werfen sich Luisa Niemesch und ihr Trainingspartner auf die blaue Matte. Die Schweißperlen stehen beiden auf der Stirn. Niemeschs blonder Zopf wirbelt bei jeder Aktion im Freiburger Olympiastützpunkt durch die Luft.
„Die Bedingungen hier sind super“, sagt die Ringerin. Seit 2011 trainiert sie an der Schwarzwaldstraße. Anfangs noch parallel zur Schule im württembergischen Weingarten.

Dort ist Niemesch groß geworden und hat 2013 ihr Abitur gemacht. Seitdem lebt sie fest in Freiburg und feilt mit Nachdruck an ihrer Karriere. Mit Erfolg: Ende April löste die Studentin in der Mongolei das Olympia-Ticket in der Klasse bis 58 Kilo. „Die Qualifikation war ein überragendes Gefühl“, schwärmt Niemesch. „Ich konnte es erst gar nicht fassen und wusste, dass sich die ganze Mühe gelohnt hat.“

Doch damit ging’s erst richtig los. Die BWL-Studentin im 6. Semester trainiert neunmal die Woche je 90 Minuten. „Morgens eine Einheit außerhalb der Matte – Laufen, Kraft und Athletik. Abends dann auf der Matte“, sagt Niemesch. Wie an diesem Dienstagabend, als sie mit 30 anderen Ringern an ihrer Technik feilt.
Die Sportlerin in Freiburg zu treffen, ist nicht leicht. Ständig ist Niemesch auf Achse: Für Qualifikationsturniere war sie im April in Serbien. Von dort aus ging es weiter in die Mongolei. Zuletzt war Trainingslager und ein Wettkampf in Kanada. Anfang Juli ging’s mit den drei anderen deutschen Olympia-Ringerinnen nach Madrid. Auch dort standen Training und Turnier auf dem Plan.

Nebenbei schreibt Niemesch am 4. August noch eine Prüfung an der Uni, bevor es am 12. nach Brasilien geht. Die Reisen sind anstrengend, sagt Niemesch – und wirkt tiefenentspannt. Die Uni als zweites Standbein zu haben, tut gut: „Immer nur Training, Training, Training wäre zu viel. Es ist gut, ab und zu den Kopf zu benutzen.“

Ringerin Luisa Niemesch

Kämpferisch: „Luisa ist verbissen auf der Matte“, sagt ihr Trainer.

Für Rio macht sie sich keinen Druck: „Man muss realistisch bleiben. Gegen Weltklassegegnerinnen wie die Japanerin Kaori Icho kann man nur sein Bestes geben.“ Tagesform und Losglück seien entscheidend. Ist Gold möglich? Niemesch lacht. Ihr Trainer sieht das anders: „Luisa ist bescheiden“, betont Marius Sachs. Derzeit bringe sie sich etappenweise in Form, um am Tag X topfit zu sein. „Das kann sie sehr gut“, lobt der Landestrainer. Am Wettkampftag müsse sie über sich hinauswachsen. Für unmöglich hält er das nicht: „Bei Olympia herrschen eigene Gesetze“, sagt Sachs. „Alles ist möglich.“
Der Coach ist begeistert: „Luisa ist verbissen auf der Matte, da ist es schwer, einen Punkt gegen sie zu machen.“ Für Niemesch selbst ist Konzentration das A und O. Egal, ob sie hinten liegt oder führt. Die letzten 30 Sekunden der Kämpfe über sechs Minuten könnten die längsten eines ganzen Lebens werden.
Ihre Familie leidet in solchen Momenten mit. „Sie sind meine größten Fans“, sagt Niemesch über ihre Eltern und die zwei Brüder. Ihre Kämpfe werden zu Hause im Livestream verfolgt. Ob in der Mongolei, in Kanada oder in Rio. Dabei musste Niemesch ihre Eltern als Kind vom Ringen überzeugen. Mit acht Jahren schaute sie in der Sporthalle um die Ecke den Kämpfen zu  – wollte selbst mitmachen. Mama und Papa reagierten skeptisch, ließen sich aber überzeugen. Heute sind Niemeschs Brüder selbst aktive Ringer, der Sport hat die ganze Familie gepackt.
Packend ist auch das Training. Mit einem geschickten Griff hebelt Niemesch ihren Gegner über die Schulter. Wumm. Er liegt auf dem Rücken. Am 17. August könnte es eine Gegnerin treffen.

Ringerin Luisa Niemesch

Fokussiert: Die 20-Jährige bringt sich für ihren Olympiastart in Form.

Text: Till Neumann, Foto: © tln

Update der Redaktion am 18. August 2016: Luisa Niemesch ist bei den olympischen Spielen ohne Medaille geblieben wie die Kollegen der Süddeutschen Zeitung berichten.