Jagd nach dem Daumen: Bands sammeln strittige Facebook-Likes STADTGEPLAUDER | 15.02.2017

Like-Buttons prasseln aufs Münster. Smileys und Herzchen dazu. Ein animiertes Video mit der Szene ist zuletzt durchs Netz gerauscht. Die Band „Otto Normal“ hat damit einen digitalen Flashmob gestartet. Das Ziel der Aktion „Freiburg auf die Karte“: Fans sollen Seiten ihrer Lieblingsbands liken und auch Freunde dazu aufrufen. Denn Likes „sind relevant für Agenturen, Labels und Konzertveranstalter“, schreiben Otto Normal. Doch die Szene ist geteilter Meinung.

Like it: Im Video zur Aktion prasseln Likes aufs Münster.

Like it: Im Video zur Aktion prasseln Likes aufs Münster.

Sind Likes wirklich relevant? Ja, sagt Otto-Normal-Frontmann Pete alias Peter Stöcklin dem chilli: „Vor zwei, drei Jahren hat uns ein Veranstalter mal eine Gage von 1500 Euro verweigert, weil wir zu wenig Likes hatten.“ Die Band hatte damals rund 1500 Facebook-Follower. Pete ärgert die Absage: „Unabhängig von den Likes – einen Techniker braucht man trotzdem. Und einen Bus. Und Benzin.“ Dennoch kann er verstehen, dass Veranstalter darauf schauen. Er würde es genauso machen. Daher hat er auch die Videoaktion für die Freiburger Szene gestartet. „Likes sind ein bisschen wie Geld“, sagt der Rapper. Logischerweise kämen zu einem Konzert mehr Zuschauer, wenn die Band 50.000 Follower hat statt 50. Doch Pete sagt auch: Likes sind Indikator für Reichweite, nicht aber für Qualität. Und die sei letzten Endes entscheidend.

Peter von Otto Normal

Peter von Otto Normal

Die Zahl der Likes ist in der Tat eine heikle Sache. Schließlich können Follower gekauft werden. 1000 internationale Facebookfans gibt es auf likeskaufen.eu für 20 Euro. 1000 deutsche Fans kosten 60 Euro. „Wir raten unseren Kunden davon ab, Likes zu kaufen“, sagt Andreas Henke, Chef der Freiburger Online-Marketing-­Agentur ClickLift. Es sei unwahrscheinlich, so echte Fans zu gewinnen. Gekaufte Supporter würden Posts weder liken noch kommentieren. Und das sei der Schlüssel: „Ein Share oder Kommentar bringen einem Post enorm viel Sichtbarkeit“, sagt der 38-Jährige.

Andreas Henke

ClickLift-Chef Andreas Henke

Henke rät, Beiträge auch mal kostenpflichtig zu bewerben. Seine Faustregel: Lieber mehrmals kleine Summen investieren als einmal eine große. So erreiche man mehr Menschen und könne verschiedene Formate ausprobieren. Zum Beispiel bei der Zielgruppe: Geschlecht, Alter, Standort und Interessen der zu erreichenden Personen können bei bezahlten Beiträgen definiert werden. Auch das Timing der Veröffentlichung sei entscheidend, sagt Henke. Bei einem Kunden sei zuletzt überraschenderweise Montagmorgen ein guter Zeitpunkt gewesen – es ging um Fitnessübungen.

Der Profi empfiehlt zudem, eine Handlungsaufforderung in den Post einzubauen. Zum Beispiel: Liket doch mal die Seite! Oder: Schaut auf unsere Homepage! Er rät auch, Freunde zu bitten, wichtige Posts zu kommentieren, um sie zu pushen. Wer guten Inhalt habe, könne ruhig mehrfach am Tag posten.

Wie wenig aussagekräftig Likes sind, zeigt die Freiburger Funkband Fatcat. Nur rund 3000 Facebook-Likes hat die derzeit vielleicht angesagteste Band der Stadt, die auch überregional Furore macht. Bei „Freiburg Stimmt Ein“ kamen im Sommer 2000 Menschen zum Konzert im Eschholzpark. „Ich glaube nicht, dass der Erfolg einer Band an Klicks festzumachen ist“, sagt Fatcat-Manager Björn Jakob. Doch sieht auch er, dass viele Veranstalter darauf schauen. Gagen würden sich jedoch nicht an Likes orientieren. Entscheidend seien Tonträger, Konzerte und Videos. Gerade im Profibereich spielten Likes keine große Rolle, so Jakob.

Joshua Büchler von Endlessstory

Joshua Büchler von Endlessstory

Unterschätzen sollte man die Daumen dennoch nicht, findet Joshua Büchler, Rapper der aufstrebenden HipHop-Formation Endlessstory mit rund 500 Facebook-Followern: „Wer Likes hat, wird von Veranstaltern ernst genommen. Durch was anderes geht das nicht mehr, speziell als Rapper.“ Der Band selbst sei die Zahl ziemlich egal. Etwa eine Stunde pro Woche investieren Endlessstory in ihre Social-Media-Kanäle.

Wer etablierte Bands bucht, schaut nicht auf Likes, sagt Christoph Römmler von KaroEvents: „Das ist völlig Wurst, man kennt die Stars ja.“ Im lokalen Bereich mache es aber Sinn, sich um Follower zu bemühen. Doch: „Die Wahrheit liegt auf der Bühne“, betont Römmler. Für die Wahl lokaler Bands als Voracts seiner Stars habe er den Kollegen Alexander Hässler, der die Freiburger Szene bestens kenne.

Auch Michael Musiol vom Jazzhaus genießt Facebook-Zahlen mit Vorsicht. „Eine Jazzformation kann auch mal 250 Leute anlocken, obwohl sie gar keine Facebook-Seite hat“, sagt der Jazzhaus-Chef. Bekomme er eine unbekannte Band auf den Tisch, nutze er mehrere Wege, um sich zu informieren: zum Beispiel Tourdaten, das Amazon-Verkaufsranking, Tipps von Kollegen – und Social Media.

Beim ZMF-Booking fürs Actionprogramm ist Facebook ebenfalls nur ein Indikator von mehreren: „Ich schaue bei Bands auch nach Likes. Am wichtigsten ist aber die Musik“, sagt Brigitte Schömmel vom ZMF-Team. Habe eine Band sehr viele Likes, sei das interessant, sind es wenige, würden andere Faktoren relevant.

Otto Normal

Gefeiert: Otto Normal stellten „Freiburg Auf die Karte“ im Jazzhaus vor.

Die Bands dürften so etwas gerne hören. Eine Gruppe, die Likes kauft, hat die Redaktion nicht gefunden. Die Facebook-Follower der Freiburger Künstler sind jedoch auch recht überschaubar. Ihnen deswegen die Gage zu verweigern, ist für ClickLift-Chef Henke „eine Frechheit“. Mit wenig Geld könne man schließlich viele Likes bekommen.

Freiburg soll „auf die Karte“, wie Peter Stöcklin sagt – als Referenz zum Beginner-Track „Ahnma“, in dem Gzuz rappt: Wir packen Hamburg wieder auf die Karte. Das wünscht Pete sich auch für Freiburg, das bisher bundesweit eben nicht auf dem Radar sei. „Das Tor zu Deutschland ist in Freiburg eine Mauseklappe“, findet er. Seine Band hat 6400 Facebookfans. Für Freiburger Verhältnisse ein Spitzenwert. Für Rapstars wenig. Die Beginner haben mehr als 200.000.

Text: Till Neumann; Videostill: Matthias Kappeler (Ansich GmbH) und Romy Strasser, Fotos: Till Neumann & privat